/ 11.06.2013
Jan Roß
Der Papst. Johannes Paul II. - Drama und Geheimnis
Berlin: Alexander Fest Verlag 2000; 224 S.; ISBN 3-8286-0096-4Das Buch war der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zwei Rezensionen wert. Die erste verfasste ein Theologe aus dem Hause Küng, der Roß voller Empörung entgegenschleuderte: "Wir Katholiken brauchen keinen nichtkatholischen Papstschwärmer, der seinen Agnostizismus offensichtlich durch Papstvergötzung ersetzt hat." Es ist bemerkenswert, welche Reaktion die Entdeckung der Kirche von außen auslösen kann, wenn sie sich nicht am "orts- und nationalkirchlichen Establishment" orientiert, wie Roß in einem a...
Jan Roß
Der Papst. Johannes Paul II. - Drama und Geheimnis
Berlin: Alexander Fest Verlag 2000; 224 S.; geb., 36,- DM; ISBN 3-8286-0096-4Das Buch war der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zwei Rezensionen wert. Die erste verfasste ein Theologe aus dem Hause Küng, der Roß voller Empörung entgegenschleuderte: "Wir Katholiken brauchen keinen nichtkatholischen Papstschwärmer, der seinen Agnostizismus offensichtlich durch Papstvergötzung ersetzt hat." Es ist bemerkenswert, welche Reaktion die Entdeckung der Kirche von außen auslösen kann, wenn sie sich nicht am "orts- und nationalkirchlichen Establishment" orientiert, wie Roß in einem anderen Zusammenhang formuliert. Der Überdruss an manchen Segnungen der modernen Welt ermuntert zur Suche nach den Quellen europäischer Zivilisation, und da ist es vor allem die katholische Kirche und ihr Oberhaupt, die unter den vielfältigen "Angeboten" eine Sonderstellung einnehmen. "So ist der scheinbar anachronistische Papst auch zu einer Schlüsselfigur des Selbstzweifels und der Selbstkritik der Gegenwart geworden, zu einem Kristallisationspunkt des Unbehagens an unserer schönen neuen Welt der Geschichts- und Grenzenlosigkeit, der unbeschränkten Möglichkeiten, die seit 1989 offen stehen. Der letzte große Konservative ist zugleich der letzte große Rebell gegen die herrschenden Verhältnisse." (16) Der Hinweis auf den Nonkonformismus des Papstes, "sein Bekenntnis zum Außenseitertum" (210) und die daraus entstehende Faszination bilden den Kern des Buches. Roß, der als Journalist für "Die Zeit" arbeitet, legt mit dieser Publikation eine essayistische Annäherung an das Pontifikat Johannes Paul II. vor, dem er in verschiedener Hinsicht Einzigartigkeit bescheinigt. Die biographischen Elemente des Buches sind nicht neu, für das Verständnis dieses Mannes aber unverzichtbar. "Zum ersten Mal hat ein Papst persönlich in seiner eigenen Heimat die ganze Tragödie unserer Zeit erfahren können", erinnerte der Pariser Kardinal Lustiger (25). Der Grund für die außergewöhnliche Verknüpfung von Amt und Charisma bei Johannes Paul II., die ihn zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten des ausgehenden 20. Jahrhunderts gemacht hat, dürfte nicht zuletzt in diesen Erfahrungen liegen.
Henry Krause (HK)
Dipl.-Politologe, Referatsleiter, Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Dresden.
Rubrizierung: 2.23
Empfohlene Zitierweise: Henry Krause, Rezension zu: Jan Roß: Der Papst. Berlin: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/13002-der-papst_15581, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 15581
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Dipl.-Politologe, Referatsleiter, Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Dresden.
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