/ 12.06.2013
George Soros
Die offene Gesellschaft. Für eine Reform des globalen Kapitalismus. Aus dem Amerikanischen von Bernhard Klöckener, Susanne Kuhlmann-Krieg, Henning Thies und Sebastian Vogel
Berlin: Alexander Fest Verlag 2001; 399 S.; geb., 20,35 €; ISBN 3-8286-0160-XDer König der Spekulanten sorgt sich um das einseitige Bild, das die Weltöffentlichkeit sich von ihm macht: Er werde stets nur "als eine Art Finanzguru" wahrgenommen - "[m]eine Ansichten zu politischen Fragen dagegen haben bislang nur wenig Beachtung gefunden" (8). Das soll sich mit diesem Buch, das Soros als sein "Lebenswerk" (26, 31) verstanden wissen will, ändern. Den Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet die Feststellung, dass mit dem Zusammenbruch des Kommunismus zwar der Kapitalismus ge...
George Soros
Die offene Gesellschaft. Für eine Reform des globalen Kapitalismus. Aus dem Amerikanischen von Bernhard Klöckener, Susanne Kuhlmann-Krieg, Henning Thies und Sebastian Vogel
Berlin: Alexander Fest Verlag 2001; 399 S.; geb., 20,35 €; ISBN 3-8286-0160-XDer König der Spekulanten sorgt sich um das einseitige Bild, das die Weltöffentlichkeit sich von ihm macht: Er werde stets nur "als eine Art Finanzguru" wahrgenommen - "[m]eine Ansichten zu politischen Fragen dagegen haben bislang nur wenig Beachtung gefunden" (8). Das soll sich mit diesem Buch, das Soros als sein "Lebenswerk" (26, 31) verstanden wissen will, ändern. Den Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet die Feststellung, dass mit dem Zusammenbruch des Kommunismus zwar der Kapitalismus gesiegt habe, zugleich aber die Demokratie durch den "Marktfundamentalismus" gefährdet werde: "Marktfundamentalisten behaupten, dem Gemeinwohl sei am besten gedient, wenn man jedermann gestatte, seine Eigeninteressen zu verfolgen." (11) Dem hält Soros entgegen, dass der Markt immer nur privaten Interessen dienen könne und schon dafür einer Regulierung bedarf, denn insbesondere die Finanzmärkte seien inhärent instabil. Der Globalisierung der Märkte müsse deshalb mit einer Globalisierung der Politik begegnet werden: es bedürfe einer "Allianz demokratischer Staaten" (16), um Grundregeln für eine offene Weltgesellschaft zu formulieren und globale Institutionen wie eine "Weltzentralbank" (20) zu schaffen.
Doch Soros geht es nicht allein um pragmatische Vorschläge für die Gestaltung globaler Politik: "Dieses Buch gehört in den Bereich der praktischen Philosophie" (7), und deshalb gründen seine Überlegungen auf zwei Prinzipien: der Reflexivität und der Fehlbarkeit. Reflexivität bezeichnet das Phänomen der Rückkoppelung zwischen der Situation, in der Beteiligte stehen, und der Beurteilung der Situation durch die Beteiligten. Diese Rückkoppelungseffekte bewirken, dass der Ablauf ökonomischer und sozialer Prozesse prinzipiell unvorhersehbar ist (siehe 37-40). Deshalb sind Gleichgewichtstheorien, die notwendig auf einem bestimmten Verständnis rationalen Verhaltens beruhen, für die Analyse ökonomischer Prozesse unbrauchbar; stattdessen plädiert Soros für die Anwendung evolutions- und spieltheoretischer Ansätze, die verschiedene Strategien der Beteiligten an solchen Prozessen analysieren. Fehlbarkeit bezeichnet die prinzipielle Begrenztheit menschlichen Erkenntnisvermögens. Die Einsicht in die Fehlbarkeit ist für die Fundierung der Moral bedeutend, weil wir durch diese Einsicht verstehen, dass wir als Menschen auf Gesellschaft angewiesen sind und dass es somit "gewisse gemeinsame Interessen gibt, die Vorrang vor persönlichen Einzelinteressen haben". Dies wiederum ist die Grundlage für die Anerkennung "einer internationalen Gesetzgebung und internationaler Institutionen" (152). So anregend einige Beobachtungen von Soros zur Entwicklung der Finanzmärkte, zum Ablauf von Finanzkrisen und zur Bedeutung einer internationalen Regulierung der Finanzmärkte auch sind - seine praktische Philosophie ist kaum mehr als eine schlichte Variante des kritischen Rationalismus. Der Sprung vom Spekulanten zum Philosophen ist hier noch nicht gelungen; aber Soros verspricht, dass er weiter an seinem Lebenswerk arbeiten werde (26).
Hendrik Hansen (HH)
Dr., Lehrbeauftragter, Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Passau.
Rubrizierung: 4.43 | 2.2
Empfohlene Zitierweise: Hendrik Hansen, Rezension zu: George Soros: Die offene Gesellschaft. Berlin: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/13971-die-offene-gesellschaft_16745, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 16745
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Dr., Lehrbeauftragter, Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Passau.
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