Skip to main content
/ 12.06.2013
Peter Pilz

Die Vierte Republik. Der Weg zur Reformmehrheit

Wien: Czernin Verlag 2000; 256 S.; brosch., 18,15 €; ISBN 3-7076-0021-1
Dass die Neunzigerjahre für Österreich verlorene Jahre gewesen sind, dass sich das Land gerade im Durchgangsstadium von der Zweiten zur Vierten Republik befindet, dass die amtierende schwarz-blaue Koalition als Totengräber des erstarrten und korrupten Proporzsystems auch ihr Gutes hat - all diese Kernthesen des als politischer Essay treffend bezeichneten Bandes wird dem Leser möglicherweise nicht unmittelbar einleuchten. Verständlich werden sie erst bei Kenntnis des Autors, denn Pilz bekleidet s...
Peter Pilz

Die Vierte Republik. Der Weg zur Reformmehrheit

Wien: Czernin Verlag 2000; 256 S.; brosch., 18,15 €; ISBN 3-7076-0021-1
Dass die Neunzigerjahre für Österreich verlorene Jahre gewesen sind, dass sich das Land gerade im Durchgangsstadium von der Zweiten zur Vierten Republik befindet, dass die amtierende schwarz-blaue Koalition als Totengräber des erstarrten und korrupten Proporzsystems auch ihr Gutes hat - all diese Kernthesen des als politischer Essay treffend bezeichneten Bandes wird dem Leser möglicherweise nicht unmittelbar einleuchten. Verständlich werden sie erst bei Kenntnis des Autors, denn Pilz bekleidet seit 15 Jahren wichtige Ämter bei den österreichischen Grünen und vertritt sie zurzeit im Nationalrat. Sein Essay gliedert sich in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wobei die drei Kapitel gemäß dem Dezimalsystem des Autors als Zweite, Dritte und Vierte Republik firmieren. Im vergleichsweise kurzen ersten Kapitel werden die Strukturmängel von Proporz und Sozialpartnerschaft im österreichischen Nachkriegssystem gleichermaßen intelligent wie unterhaltsam herausgearbeitet. Pilz schöpft hier aus eigenen Erfahrungen mit der Zweiten Republik, an deren Hermetik und Unbeweglichkeit er offensichtlich gelitten hat, ohne aber dadurch seine Fähigkeit zur scharfen und ironisch-distanzierten Analyse einzubüßen. Abseits der in Oppositionskreisen verbreiteten moralischen Verurteilung erfolgt im zweiten Teil eine bemerkenswert nüchterne, kritische Auseinandersetzung mit der Politik der ÖVP-FPÖ-Regierung. Dabei bemängelt der Autor einerseits ihre Orientierungslosigkeit und konstatiert andererseits eine gefährliche Mischung aus konservativem Gesellschaftsbild, autoritärer Innenpolitik und wirtschaftlichem Neoliberalismus. Dem wird im umfangreichen dritten Kapitel als "Vierte Republik" ein positives Bild zukünftiger Entwicklungen gegenüber gestellt. Dass dieses im Wesentlichen grüner Parteiprogrammatik entspricht, vermag kaum zu verwundern. Ökologische Nachhaltigkeit, öko-soziale Steuerreform, Bürgerrepublik und Verfassungsreform sind wesentliche Eckpfeiler des neuen Österreich, wie es Pilz vorschwebt. Seine ganz persönliche Vision behält er dem Nachwort vor, an dessen Ende es heißt: "In der Dritten Republik ist der Kandidat der drittstärksten Partei Kanzler geworden. In der Vierten Republik fällt dieses Recht selbstverständlich der viertstärksten Partei zu." (241) Im Unterschied zu manchen seiner gerade in den ersten beiden Kapiteln anregenden und originellen Ausführungen wird man diese Sentenz getrost in der Rubrik Größenwahn einsortieren können.
Michael Edinger (ME)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
Rubrizierung: 2.4 Empfohlene Zitierweise: Michael Edinger, Rezension zu: Peter Pilz: Die Vierte Republik. Wien: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/13601-die-vierte-republik_16295, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 16295 Rezension drucken
CC-BY-NC-SA