/ 12.06.2013
Werner Simon
Erkenntnistheorie oder Pragmatik? Das soziologische Verwendungsproblem bei Weber, Popper, Kuhn und Rorty
Wien: Passagen Verlag 2000 (Passagen Philosophie); 138 S.; brosch., 19,43 €; ISBN 3-85165-411-0Die Studie ist ein entschiedenes Plädoyer für eine post-moderne Sicht des Praxisbezugs von Sozialwissenschaften, demzufolge die erkenntnistheoretische Fundierung wissenschaftlichen Wissens aufzugeben sei zugunsten einer (neo-)pragmatischen Hermeneutik, die kontextbezogene Interpretationsangebote macht (111 ff.). Simon geht von dem in der soziologischen Verwendungsforschung ausführlich behandelten Befund aus, dass Sozialwissenschaften gegenüber der Praxis kein "höheres", sondern nur ein anderes W...
Werner Simon
Erkenntnistheorie oder Pragmatik? Das soziologische Verwendungsproblem bei Weber, Popper, Kuhn und Rorty
Wien: Passagen Verlag 2000 (Passagen Philosophie); 138 S.; brosch., 19,43 €; ISBN 3-85165-411-0Die Studie ist ein entschiedenes Plädoyer für eine post-moderne Sicht des Praxisbezugs von Sozialwissenschaften, demzufolge die erkenntnistheoretische Fundierung wissenschaftlichen Wissens aufzugeben sei zugunsten einer (neo-)pragmatischen Hermeneutik, die kontextbezogene Interpretationsangebote macht (111 ff.). Simon geht von dem in der soziologischen Verwendungsforschung ausführlich behandelten Befund aus, dass Sozialwissenschaften gegenüber der Praxis kein "höheres", sondern nur ein anderes Wissen verkörpern (11 ff.). Vor diesem Hintergrund problematisiert der Autor zunächst "klassische" Objektivitätspostulate am Beispiel von Weber (18 ff.) und Popper (29 ff.); im Gegenzug entwickelt er einerseits an Kuhn (45 ff.) und andererseits an Rorty (59 ff.) die zunehmende Soziologisierung und Relativierung traditioneller Wissenschaftsansprüche. Der vierte Teil (79 ff.) schließlich soll die These begründen, "daß sich das soziologische Verwendungsproblem nur insoweit und solange als grundlegend darstellt, als die Soziologie sich anmaßt, im Gegensatz zur gesellschaftlichen Alltagserfahrung einen prinzipiell überlegenen Zugang zur sozialen Realität zu haben, der epistemologisch begründet und praktisch wirksam werden müsse" (13). Aber auch wenn man dieser Einschätzung folgt - die ja viele Wissenschaftssoziologen teilen - bleibt die Frage, ob Sozialwissenschaften nach der "post-empiristischen Wende" wirklich nur noch "interessante Interpretationsangebote" machen können (115).
Inhalt: II. Fortschreitende Entzauberung der sozialen Welt durch wissenschaftliche Objektivität?: Soziologie als Beitrag zur fortschreitenden Entzauberung der Welt (Max Weber): Die unendliche Mannigfaltigkeit des Weltgeschehens; Die Forderung nach Werturteilsfreiheit der Wissenschaft und ihre adäquate Methode; Die Pluralität der letzten Werte; Nominalismus oder Platonismus? Der latente Externalismus der Weberschen Forschungslogik. Zur falsifikatorischen Relativierung verifizistischer Forschungsideale (Karl Popper): Popper und das Problem der Induktion; Falsifizieren statt beweisen; Poppers Problembezug - Internalismus oder Externalismus?; Objektivität trotz Fallibilismus? III. Soziologisierung der Wissenschaftstheorie: Sozio-historische Aufladung der Wissenschaftstheorie (Thomas Kuhn): Was ist ein Paradigma?; Etablierung und Gang der normalen Wissenschaft; Revolutionäre Wissenschaft - Der Umsturz von Paradigmen; Die These der Inkommensurabilität; Kuhns Festhalten an der intern/extern-Unterscheidung. Pragmatisch-hermeneutische Entzauberung der Erkenntnistheorie (Richard Rorty): Philosophie als strenge Spiegelwissenschaft; Die Erfindung des Mentalen oder die sogenannte Bewußtseinsphilosophie; Gegen die Idee einer Erkenntnistheorie; Die Abschaffung privilegierter Vorstellungen; Rortys hermeneutisches Gegenkonzept: Philosophie ohne Spiegel; Philosophie als bildende Stimme im Gespräch der Menschheit. IV. Veränderte Verhältnisse sozialwissenschaftlichen Wissens: Das soziologische (Nicht)-Verwendungsproblem aus der epistemologischen Perspektive Rortys; Das soziologische Verwendungsproblem aus der epistemologischen Perspektive Kuhns; Das soziologische Verwendungsproblem aus der epistemologischen Perspektive Poppers; Das soziologische Verwendungsproblem aus der epistemologischen Perspektive Webers. V. Zusammenfassendes Ergebnis und (postmoderner) Ausblick: Forschung ohne Fundament.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.2 | 5.46 | 5.42
Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Werner Simon: Erkenntnistheorie oder Pragmatik? Wien: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/14078-erkenntnistheorie-oder-pragmatik_16866, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 16866
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
CC-BY-NC-SA