/ 11.06.2013
Dietmar Fricke
Globalisierung und Bürgerkriege. Eine theoriegeleitete Analyse von Globalisierungsprozessen und ihrem Verhältnis zu regionalen Konflikten
Berlin: Verlag Dr. Köster 2000 (Bewaffnete Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes 8); 246 S.; ISBN 3-89574-410-7Seit Ende der 70er-/Anfang der 80er-Jahre nehmen kriegerische Konflikte in der so genannten Dritten Welt kontinuierlich zu. Die Studie sucht die Ursachen hierfür in den innergesellschaftlichen Auswirkungen des Globalisierungsprozesses und stützt sich dabei hauptsächlich auf das Analyseschema der Internationalen Politischen Ökonomie. Dabei wird von der Überlegung ausgegangen, "daß die (in der Regel seit der Dekolonisation) vorhandenen internen und teilweise länderspezifischen Konfliktpotentiale i...
Dietmar Fricke
Globalisierung und Bürgerkriege. Eine theoriegeleitete Analyse von Globalisierungsprozessen und ihrem Verhältnis zu regionalen Konflikten
Berlin: Verlag Dr. Köster 2000 (Bewaffnete Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes 8); 246 S.; 74,80 DM; ISBN 3-89574-410-7Seit Ende der 70er-/Anfang der 80er-Jahre nehmen kriegerische Konflikte in der so genannten Dritten Welt kontinuierlich zu. Die Studie sucht die Ursachen hierfür in den innergesellschaftlichen Auswirkungen des Globalisierungsprozesses und stützt sich dabei hauptsächlich auf das Analyseschema der Internationalen Politischen Ökonomie. Dabei wird von der Überlegung ausgegangen, "daß die (in der Regel seit der Dekolonisation) vorhandenen internen und teilweise länderspezifischen Konfliktpotentiale in Staaten und Gesellschaften der Peripherie nicht ausreichen, um das neuartige und zunehmende Phänomen ethnonationalistisch und/oder religiös-fundamentalistisch determinierter Konfliktformationen hinreichend zu erklären" (9). Im Mittelpunkt der Untersuchung steht darum die Frage, wie der Globalisierungsprozess als Katalysator verschärfend bis eskalierend auf vorhandene Konfliktpotenziale in der Peripherie gewirkt hat und weiterhin wirkt. Auf vier Ebenen (ökonomisch, politisch, kulturell-sozial, international) werden konfliktverschärfende Elemente und ihre Wirkungsweisen dargestellt. Dem Autor gelingt es, desintegrative Folgewirkungen des Globalisierungsprozesses in peripheren Gesellschaftsformationen nachzuweisen. Konfliktverschärfend wirkt dieses dann besonders, wenn sich innergesellschaftlich bisher am jeweiligen System partizipierende Gruppen (z. B. Mittelschichten) subjektiv oder objektiv in ihrem sozialen Status bedroht sehen und soziale Abstiegsängste entwickeln. Leider werden diese Erkenntnisse unerklärterweise nur für die ökonomische (Sri Lanka) und die kulturell-soziale Ebene (Iran) durch Fallstudien illustriert. Dabei kommt der Autor zu einigen Schlussfolgerungen, die durchaus eine weitergehende Analyse verdient hätten. So identifiziert er auf der politischen Ebene die häufige Abwesenheit eines rationalen Akteurs. Dessen Handeln, welches aus der Binnenperspektive der im Konfliktgeschehen Aktiven durchaus zweckrational erscheinen kann, lässt Konfliktlösungsstrategien, die von der pazifizierenden Wirkung internationaler Verregelung und Verrechtlichung ausgehen, ebenso schnell an ihre Grenzen stoßen, wie das Mittel der konfliktbefriedenden militärischen Intervention. Alternative Handlungsvorschläge zur Verhinderung oder Befriedung ethnonationalistischer Konflikte finden sich dagegen nicht, was dem auf Konfliktursachen eingeschränkten Fokus der Studie zuzuschreiben ist. Unter der Berücksichtigung von Überlegungen zur Wirkung der Globalisierungsprozesse in der OECD-Welt (am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland) kommt der Autor zu dem Schluss, dass die aus dem Globalisierungsprozess resultierende individuelle und regionale Desintegration die hergebrachten Herrschaftsprojekte inklusive ihrer tradierten Integrationsmechanismen massiv unter Druck setzt. Mögliche Versuche der Instrumentalisierung exklusiver Ideologien zum Erhalt der dadurch erodierenden Legitimität führen dann insbesondere in den schwach ausgeprägten Nationalstaaten der Peripherien zu einer Erhöhung des Konfliktpotenzials.
Aus dem Inhalt: 2.2 Der Prozeß von Globalisierung und Fragmentierung: Definition, Genese, Problematisierung; 2.3 Militante Konflikte in der Dritten Welt: Erklärungsmuster im Überblick. 3. Globalisierung als Externer Faktor: Potentiell konfliktverschärfende Elemente und ihre Wirkungsweisen: 3.1 Die ökonomische Ebene: Globalisierung und Ökonomie, exportorientiertes Entwicklungsmodell und neue Verteilungskämpfe. Elitenkonkurrenz als Ausdruck sich verschärfender innergesellschaftlicher Disparitäten; 3.2 Die politische Ebene: Das Ausbleiben nachhaltiger Entwicklungserfolge und die Kritik an westlichen Politikmodellen - Ethnizismus und Nationalismus als zum Scheitern verurteilte Krisenüberwindungsstrategien?; 3.3 Die kulturell-soziale Ebene: Der Zusammenhang von Globalisierung und Fundamentalismus als religiös-soziale Bewegung; 3.4 Die internationale Ebene: Das Ende des Ost-West-Konfliktes und der Verlust der alten Feindbilder. 4. Fazit und weitere Forschungsfragen: 4.4 Ausblick und Thesen zur weiterführenden Diskussion: Die Zentren: Globalisierung, soziale Desintegration und soziale Exklusion. Wohlstandsnationalismus, Re-Ethnisierung und das Aufleben rechtsextremistischer Tendenzen.
Thomas Henzschel (TH)
Dr., Auswärtiges Amt, Arbeitsstab Iran.
Rubrizierung: 4.41 | 2.2
Empfohlene Zitierweise: Thomas Henzschel, Rezension zu: Dietmar Fricke: Globalisierung und Bürgerkriege. Berlin: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/12685-globalisierung-und-buergerkriege_15163, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 15163
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Dr., Auswärtiges Amt, Arbeitsstab Iran.
CC-BY-NC-SA