/ 11.06.2013
Hans-Henning Scharsach / Kurt Kuch
Haider. Schatten über Europa
Köln: Kiepenheuer & Witsch 2000 (KiWi 603); 332 S.; ISBN 3-462-02963-0Auf der Basis von Willibald Holzers Definition von "Rechtsextremismus", d. h. "nationales Geschichtsbild, Geschichtsrevision, alter und neuer Rassismus, Deutschnationalismus, Feindbild- und Sündenbock-Politik, Demokratie- und Systemkritik, soziale Volksgemeinschaft, autoritäre Staatsvorstellung, starker Staat, starker Mann und Führersystem, Aggressivität des politischen Stils, Ablehnung der Frauenemanzipation" (24), wollen die Autoren eine Dokumentation über den ideologischen Hintergrund und die...
Hans-Henning Scharsach / Kurt Kuch
Haider. Schatten über Europa
Köln: Kiepenheuer & Witsch 2000 (KiWi 603); 332 S.; 29,90 DM; ISBN 3-462-02963-0Auf der Basis von Willibald Holzers Definition von "Rechtsextremismus", d. h. "nationales Geschichtsbild, Geschichtsrevision, alter und neuer Rassismus, Deutschnationalismus, Feindbild- und Sündenbock-Politik, Demokratie- und Systemkritik, soziale Volksgemeinschaft, autoritäre Staatsvorstellung, starker Staat, starker Mann und Führersystem, Aggressivität des politischen Stils, Ablehnung der Frauenemanzipation" (24), wollen die Autoren eine Dokumentation über den ideologischen Hintergrund und die Frage der politischen Zuordnung von Jörg Haider und der von ihm geprägten FPÖ vorlegen. - Ein Blick auf das mit großer Sorgfalt und Genauigkeit zusammengetragene Quellenmaterial weist das Buch als publizistisches Werk aus. Eine Arbeit über Haider und die FPÖ, die ihre Aussagen nahezu ausschließlich durch die Berichterstattung in den österreichischen Medien belegt, kann jedoch (politik)wissenschaftlichen Anforderungen in methodischer Hinsicht nur sehr bedingt genügen. Dieses Problem ist den Autoren offenbar bewusst, denn bereits von vornherein räumen sie die Möglichkeit ein, dass "in Einzelfällen von Medien entstellend, verkürzt oder unvollständig wiedergegebene Zitate in diese Arbeit übernommen wurden" (16). Wenn dann geschlussfolgert wird, dass "eine solche Unschärfe" "die politische Wertung" nicht beeinflussen kann (16), dann machen die Autoren - ungewollt - klar, wie dieses Buch eigentlich zu lesen ist: als politisches, nicht als politikwissenschaftliches Buch. Womit - und die Thematik macht es notwendig, das hier explizit zu betonen - keine Kritik an der inhaltlichen Position geübt wird, die als legitime und im Rahmen der verwendeten Argumentationsweise begründete Wertung verstanden wird. Zentrales methodisches Problem Scharsachs und Kuchs ist es, dass unklar bleibt, welchem Aspekt der Partei die Untersuchung genau gilt. Denn wenn es zum Wesen der FPÖ gehört, "dass sich nicht nur der Wähler, sondern sogar Teile der aktiven Funktionäre von der modernen Inszenierung als fortschrittliche Anti-Establishment-Partei blenden lassen" (287), wenn also große Teile von Wählern, Sympathisanten, Mitgliedern und sogar aktiven Funktionären - zugestanden - gar nicht rechtsextrem sind, dann stellt sich die Frage, welcher Parteirest nun für die Klassifizierung als "rechtsextrem" verantwortlich ist. Nicht geleistet wird hier vor allem eine Thematisierung der Frage, ob ein (ehemaliger) Parteichef und partiell eine engere Funktionärs-Clique hinreichende Begründung für die rechtsextremistische Einordnung einer Partei im Ganzen sein können.
Inhaltsübersicht: Populismus. Neue Verpackung, alte Inhalte; Rechtsextremismus. Eine Definition; Geschichtsrevisionismus. Haider und der Nationalsozialismus; Antisemitismus. Der Alte Rassismus; Ausländer statt Juden. Der neue Rassismus; Deutschnationalismus. Sonderfall Österreich; Feindbilder und Sündenböcke. Wie Vorurteile entstehen; Demokratie. Haiders "Dritte Republik"; Starker Staat. Law and order als Prinzip; Gewalt. Von der Aufwiegelung zum Bombenterror; Dichtung und Wahrheit. Enttarnung im TV-Talk; Haiders Helfer. Die Rechten formieren sich; Schwarz-blaue Koalition. "Rechts" oder "rechtsextrem"?; Haiders Regierungsteam. Rechtes Versteckspiel; Haider und die EU. Von der Europapartei zur Protestpartei; Resümee. Einordnung nach wissenschaftlichen Kriterien.
Leslie Piert (LP)
Rubrizierung: 2.4 | 2.312 | 2.22
Empfohlene Zitierweise: Leslie Piert, Rezension zu: Hans-Henning Scharsach / Kurt Kuch: Haider. Köln: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/13125-haider_15727, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 15727
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