Der Ausdruck Diskurs erfreut sich - trotz seiner begrifflichen Unbestimmtheit - einer nahezu inflationären Verbreitung quer durch die humanwissenschaftlichen Disziplinen. Die bemerkenswerte Karriere des Begriffs verweist zwar - wiederum disziplinenübergeifend - auf eine gestiegene Sensibilität hinsichtlich der faktischen Bedeutung symbolischer Ordnungen und Kommunikationsformen für die Konstitution sozialer (Macht-)Praktiken, doch bisher kann von einer halbwegs konsistenten Verwendung des Diskurskonzeptes (unter theoretischen oder empirischen Bezügen) nicht die Rede sein. Das gilt zumal für die Sozialwissenschaften, denn anders als in der Linguistik hat sich die Diskursanalyse hier als eigenständiger Ansatz nur zögerlich und dann zumeist gebunden an spezifische diskurstheoretische Kontexte (Derrida, Foucault) etablieren können. Das auf zwei Bände angelegte Handbuch versucht durch eine systematisierende Übersicht der vielfältigen disziplinären Verwendungsweisen den Ansatz der Diskursanalyse (im Unterschied zu besonderen Diskurstheorien) methodisch zu stärken. Während der sich in Vorbereitung befindliche zweite Band exemplarische diskursanalytische Anwendungen enthalten wird, geht es diesem ersten Band um eine "auch für Neuankömmlinge im Feld der Diskursanalyse zugängliche [...] interdisziplinäre Zusammenstellung aktueller theoretisch-methodologischer und - quantitativer wie qualitativer - methodischer Grundlagen" (17). Von den insgesamt vierzehn Einzelbeiträgen entwickeln elf Zugänge zur sozialwissenschaftlichen Diskursanalyse aus der Sicht von Soziologie, Geschichtswissenschaft, Linguistik/Sprachforschung, Politikwissenschaft und Psychologie; die letzten drei Beiträge befassen sich in genereller Perspektive mit der gesellschaftlichen und theoretischen Bedeutung des Diskursbegriffs. Inhalt: Reiner Keller / Andreas Hirseland / Werner Schneider / Willy Viehöver: Zur Aktualität sozialwissenschaftlicher Diskursanalyse - Eine Einführung (7-27); Matthias Jung: Diskurstheoretische Analyse - eine linguistische Perspektive (29-51); Philipp Sarasin: Diskurstheorie und Geschichtswissenschaft (53-79); Siegfried Jäger: Diskurs und Wissen. Theoretische und methodische Aspekte einer Kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse (81-112); Reiner Keller: Wissenssoziologische Diskursanalyse (113-143); Paolo R. Donati: Die Rahmenanalyse politischer Diskurse (145-175); Willy Viehöver: Diskurse als Narrationen (177-206); Hubert Knoblauch: Diskurs, Kommunikationen und Wissenssoziologie (207-223); Hannelore Bublitz: Differenz und Integration. Zur diskursanalytischen Rekonstruktion der Regelstrukturen sozialer Wirklichkeit (225-260); Michael Schwab-Trapp: Diskurs als soziologisches Konzept. Bausteine für eine soziologisch orientierte Diskursanalyse (261-283); Frank Nullmeier: Politikwissenschaft auf dem Weg zur Diskursanalyse? (285-311); Jonathan Potter: Diskursive Psychologie und Diskursanalyse (313-334); Norman Fairclough: Globaler Kapitalismus und kritisches Diskursbewußtsein (335-351); Sabine Hark: Feministische Theorie - Diskurs - Dekonstruktion. Produktive Verknüpfungen (353-371); Andreas Hirseland / Werner Schneider: Wahrheit, Ideologie und Diskurse. Zum Verhältnis von Diskursanalyse und Ideologiekritik (373-402).