/ 11.06.2013
Steven E. Aschheim
Nietzsche und die Deutschen. Karriere eines Kults. Aus dem Englischen von Klaus Laermann
Stuttgart/Weimar: Verlag J. B. Metzler 2000; 385 S.; kart., 20,35 €; ISBN 3-476-01757-5"Das historische Erbe Nietzsches muß als Ergebnis des dynamischen Zusammenspiels der vielfältigen Aspekte seines Denkens und der Besonderheiten derer angesehen werden, die sich dieses Denken zu eigen gemacht haben." Durch die verschiedenen "politisch motivierten Vermittlungen wurde das Werk Nietzsches zu einem lebendigen und fortdauernden Bestandteil des nationalen Lebens in Deutschland" (2). Durch die solcherart umrissene enorme Komplexität der Wirkungszusammenhänge des Werkes Nietzsches, so de...
Steven E. Aschheim
Nietzsche und die Deutschen. Karriere eines Kults. Aus dem Englischen von Klaus Laermann
Stuttgart/Weimar: Verlag J. B. Metzler 2000; 385 S.; kart., 20,35 €; ISBN 3-476-01757-5"Das historische Erbe Nietzsches muß als Ergebnis des dynamischen Zusammenspiels der vielfältigen Aspekte seines Denkens und der Besonderheiten derer angesehen werden, die sich dieses Denken zu eigen gemacht haben." Durch die verschiedenen "politisch motivierten Vermittlungen wurde das Werk Nietzsches zu einem lebendigen und fortdauernden Bestandteil des nationalen Lebens in Deutschland" (2). Durch die solcherart umrissene enorme Komplexität der Wirkungszusammenhänge des Werkes Nietzsches, so der Autor, bleibt einer diesbezüglichen Rezeptionsgeschichte von vornherein jeglicher enzyklopädische Zugriff verwehrt, Parallelen zu einzelnen Individuen spielen für ihn daher nur am Rande eine Rolle. Stattdessen liefert er, thematisch und chronologisch auswählend, eine exzellent ins Breite zielende Untersuchung der Wirkung Nietzsches, die den Niederschlag von dessen heterogenem Denken quer durch die deutsche Geschichte überzeugend belegt. Dabei ist Aschheim besonders daran gelegen, Nietzsche aus der verfälschenden Umklammerung durch die monolithischen Lesarten gerade der verschiedensten, oft fast bis ins Kultische aufgeladenen Nietzscheanismen herauszulösen. Sogar die Nietzsche-Forschung selbst habe bislang kein rezeptionsgeschichtliches Werk mit Gespür für die "unabschließbare Offenheit" (4) des Werkes Nietzsches hervorgebracht. Vielmehr nähmen alle bedeutenden Arbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg einen Standpunkt ein, der Nietzsche und dessen Wirkung entweder apologetisch oder denunziatorisch, immer aber im ex post wertenden Abgleich mit einer "vorgängig unterstellten Konstruktion des 'wirklichen' Nietzsche" (4) behandelt. Aschheim gelingt demgegenüber eine beeindruckende Arbeit, die neben ihrer inhaltlichen Dichte gerade auch durch ihre wohl überlegte Neutralität zu überzeugen weiß.
Inhalt: Das Erbe Nietzsches und die Geschichtswissenschaft; Deutschland und der Kampf um Nietzsche, 1890-1914; Der nicht sehr diskrete Nietzscheanismus der Avantgarde; Der institutionalisierte Nietzscheanismus; Zarathustra in den Schützengräben. Der Nietzsche-Mythos, der Erste Weltkrieg und die Weimarer Republik; Der nietzscheanische Sozialismus der Linken und der Rechten; Nach dem Tod Gottes. Varianten nietzscheanischer Religion; Nietzsche im Dritten Reich; Der Nationalsozialismus und die Debatte um Nietzsche. Kulturkritik, Ideologie und Geschichte; Der Nietzscheanismus in Deutschland und im Ausland; Nachwort: Nietzsche und der Nationalsozialismus. Einige methodologische und historische Reflexionen.
Thomas Nitzsche (TN)
M. A., Fachreferent für Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena (ThULB).
Rubrizierung: 5.46 | 2.31
Empfohlene Zitierweise: Thomas Nitzsche, Rezension zu: Steven E. Aschheim: Nietzsche und die Deutschen. Stuttgart/Weimar: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/12244-nietzsche-und-die-deutschen_14620, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 14620
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M. A., Fachreferent für Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena (ThULB).
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