/ 11.06.2013
Georgi Dimitroff
Tagebücher 1933-1943. Mit einem Kommentarband. Hrsg. von Bernhard H. Bayerlein und Wladislaw Hedeler, unter Mitarbeit von Birgit Schliewenz und Maria Matschuk. Aus dem Russischen und Bulgarischen von Wladislaw Hedeler und Birgit Schliewenz
Berlin: Aufbau-Verlag 2000; 1485 S.; geb., 51,90 €; ISBN 3-351-02510-6Eine Auseinandersetzung mit dem Mythos "Dimitroff" fing in seiner Heimat Bulgarien erst kurz vor dem Umbruch des Jahres 1989 an und erlebte ihren Höhepunkt etwa 10 Jahre später mit der Demontage des Mausoleums in Sofia, wo (ähnlich wie Lenin in Moskau) der Leichnam des bulgarischen Parteiführers, des Generalsekretärs der Kommunistischen Internationale (KI) und des "Helden des Reichstagsbrandprozesses" von 1933 jahrzehntelang als lebende Legende und Vater der sozialistischen Nation ausgestellt wu...
Georgi Dimitroff
Tagebücher 1933-1943. Mit einem Kommentarband. Hrsg. von Bernhard H. Bayerlein und Wladislaw Hedeler, unter Mitarbeit von Birgit Schliewenz und Maria Matschuk. Aus dem Russischen und Bulgarischen von Wladislaw Hedeler und Birgit Schliewenz
Berlin: Aufbau-Verlag 2000; 1485 S.; geb., 51,90 €; ISBN 3-351-02510-6Eine Auseinandersetzung mit dem Mythos "Dimitroff" fing in seiner Heimat Bulgarien erst kurz vor dem Umbruch des Jahres 1989 an und erlebte ihren Höhepunkt etwa 10 Jahre später mit der Demontage des Mausoleums in Sofia, wo (ähnlich wie Lenin in Moskau) der Leichnam des bulgarischen Parteiführers, des Generalsekretärs der Kommunistischen Internationale (KI) und des "Helden des Reichstagsbrandprozesses" von 1933 jahrzehntelang als lebende Legende und Vater der sozialistischen Nation ausgestellt wurde. Fast gleichzeitig mit der Beisetzung der balsamierten Leiche ermöglichten die bulgarischen Archive durch die (wie damals verkündet) "kürzlich" aufgefundenen Tagebuch-Notizen von Dimitroff zum ersten Mal einen genaueren Einblick in seine Arbeit bei der Kommintern-Führung. Die Dokumente bestätigen und übertreffen teilweise das, was man schon darüber wusste: Die KI wurde von der Moskauer Zentrale mit Repressalien und Verfolgungen regiert, über welche Dimitroff Kenntnis hatte und welche er kommentarlos, ja sogar billigend hinnahm. Es kann natürlich vermutet werden, Dimitroff habe diese Notizen zur Selbstvergewisserung geführt: als Beweis seiner Treue zur Partei und zu Stalin, falls sie später entdeckt werden sollten.
Die vorliegenden Tagebuch-Eintragungen beginnen mit der Verhaftung Dimitroffs am 9. März 1933, wenige Tage nach dem Reichstagsbrand, und enden mit einem Eintrag vom 12. Juni 1943, dem Tag der Auflösung der Kommunistischen Internationale. Eher als eine Art Terminkalender oder Notizbuch ausgeführt, haben sie keinen literarischen Wert und überliefern keine direkten Kommentare über Ereignisse und Personen. Dass die Notizbücher für die Kommunismusforscher trotzdem eine Sensation, "eine Jahrhundert-Entdeckung" darstellen, liegt an der Tatsache, dass sie Informationen enthalten, die zahlreiche Rätsel der Kommintern-Geschichte entschlüsseln und über die von Verfolgungswahn geprägten Herrschaftsmechanismen, den Kampf gegen die Trotzkisten und die Machtstrukturen der Internationale berichten. Auch ohne die negative Bewertung Dimitroffs wird Stalin, eindeutig die Hauptperson in den Tagebüchern, als gnadenloser, tyrannischer Despot dargestellt, der die marxistisch-leninistische Ideologie zugunsten seiner eigenen Machtvorstellungen zu instrumentalisieren wusste.
Deliana Popova (DP)
Dipl.-Politologin.
Rubrizierung: 2.62 | 2.22 | 2.24 | 2.25
Empfohlene Zitierweise: Deliana Popova, Rezension zu: Georgi Dimitroff: Tagebücher 1933-1943. Mit einem Kommentarband. Berlin: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/13075-tagebuecher-1933-1943-mit-einem-kommentarband_15664, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 15664
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