Die Arbeitslosigkeit hat sich in den politischen Debatten Deutschlands immer wieder als brisantes Thema erwiesen. Neuerdings wird sogar mit der "Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsentwicklung" (11) argumentiert. Dieser vagen Behauptung gehen die Experten des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in ihrem Gutachten auf den Grund. Mit ökonometrischen Methoden schätzen sie die so genannten Okun- und Verdoorn-Relationen. Diese geben an, wie hoch das reale Wirtschaftswachstum eines Landes sein müsste, um den konjunkturellen Teil der Arbeitslosenquote um einen Prozentpunkt zu reduzieren oder umgekehrt, keine Änderung der Beschäftigung eintritt. Neben Deutschland, das teilweise analytisch in neue und alte Bundesländer aufgeteilt wurde, werden noch drei weitere Referenzländer untersucht, die hierzulande gern als Paradebeispiele wachstumsinduzierter Beschäftigung ins Feld geführt werden: Es sind die Niederlande, Großbritannien und USA. In Deutschland kann von einer Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung nicht die Rede sein, schlussfolgern die Autoren. "Im Gegenteil: Dieser Zusammenhang scheint in der längerfristigen Betrachtung sogar enger geworden zu sein. Die Beschäftigungswirkung des Wachstums ist nach dem Ölpreisschock 1974 deutlich angestiegen." (12) Der beschäftigungswirksame Effekt sei jedoch im Vergleich zu den anderen Ländern schwach. Folglich brauche die deutsche Wirtschaft für die Reduzierung der Arbeitslosigkeit ein noch stärkeres Wachstum. Der Grund liege in der internen Flexibilität des deutschen Arbeitmarktes: Die Arbeitgeber reagierten auf die konjunkturellen Schwankungen eher mit Überstunden oder Kurzarbeit, anstatt mit Neueinstellungen und Entlassungen. Somit partizipierten die Arbeitslosen in den anderen untersuchten Ländern stärker am konjunkturellen Aufschwung als hierzulande. Der politologisch orientierte Leser des Gutachtens sollte sich nicht von den technischen Finessen der empirischen Wirtschaftsforschung abschrecken lassen. Die Ergebnisse der Untersuchung sind auch für Politologen interessant. Die schlagkräftigen Argumente und nüchternen Zahlen stellen ein gutes Rüstzeug in den oft emotionsgeladenen Diskussionen im Bereich der Arbeitslosigkeit dar. Inhaltsübersicht: 2. Die Beschäftigungswirksamkeit des Wirtschaftswachstums im internationalen Vergleich; 3. Dynamische Aspekte der Okun- und Verdoorn-Relationen für das frühere Bundesgebiet; 4. Beschäftigungsschwellen; 5. Strukturelle VAR-Modelle zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen Wachstum und Arbeitslosigkeit; 6. Regimeabhängigkeit des Zusammenhangs zwischen Beschäftigung und Wachstum; 7. Wachstum, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern.