Skip to main content
/ 11.06.2013
Heike Hagedorn

Wer darf Mitglied werden? Einbürgerung in Deutschland und Frankreich im Vergleich

Opladen: Leske + Budrich 2001 (Politikwissenschaftliche Paperbacks 32); 253 S.; kart., 24,54 €; ISBN 3-8100-2953-X
Politikwiss. Diss. Münster; Gutachter: D. Thränhardt. - In seinem Buch "Citizenship and Nationhood in France and Germany" (1984) formuliert Roger Brubaker die These, dass das gegensätzliche Verständnis von Frankreich als "Staatsnation" und "Deutschland" als Kulturnation - das bereits von Friedrich Meinecke idealtypisch auf diese Formel gebracht worden ist - seinen Ausdruck in der jeweiligen Staatsangehörigkeitspolitik finde. Bis zum Ende der 90er-Jahre war der politische Diskurs - nicht nur in d...
Heike Hagedorn

Wer darf Mitglied werden? Einbürgerung in Deutschland und Frankreich im Vergleich

Opladen: Leske + Budrich 2001 (Politikwissenschaftliche Paperbacks 32); 253 S.; kart., 24,54 €; ISBN 3-8100-2953-X
Politikwiss. Diss. Münster; Gutachter: D. Thränhardt. - In seinem Buch "Citizenship and Nationhood in France and Germany" (1984) formuliert Roger Brubaker die These, dass das gegensätzliche Verständnis von Frankreich als "Staatsnation" und "Deutschland" als Kulturnation - das bereits von Friedrich Meinecke idealtypisch auf diese Formel gebracht worden ist - seinen Ausdruck in der jeweiligen Staatsangehörigkeitspolitik finde. Bis zum Ende der 90er-Jahre war der politische Diskurs - nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland - geprägt von dem Gegensatzpaar einer liberalen französischen Konzeption des ius soli und einer konservativen des ius sanguinis der Deutschen. Die Autorin räumt in ihrer ausgezeichneten Studie mit diesen Pauschalisierungen gründlich auf. Im Gegensatz zu Brubaker widmet sich Hagedorn nicht nur einem Vergleich der relevanten Gesetzestexte und des politischen Diskurses, sondern lotet vielmehr auch die Tiefe der Implementierungsprozesse und -ergebnisse aus. An diesen drei Untersuchungsgegenständen orientiert sich auch die Gliederung der Studie. Diese ermöglicht eine erheblich differenziertere Sichtweise auf die Einwanderungspolitik in den beiden Ländern. Hagedorn kommt zu folgenden Ergebnissen: Erstens hat sich im Laufe der 90er-Jahre die Einwanderungspolitik in Frankreich und Deutschland - und überhaupt in ganz Westeuropa - in erheblichem Maße angenähert. Zweitens lassen sich Unterschiede in der jeweiligen landespezifischen Praxis weniger auf eine Differenz beider nationaler Kulturen zurückführen, sondern sind vielmehr Ausdruck parteipolitischer "cleavages". Im Falle Frankreichs beispielsweise wurde unter dem konservativen Innenminister Charles Pasqua im Jahre 1993 die automatische Einbürgerung von ausländischen Kindern der zweiten Generation abgeschafft, um unter einer sozialistisch geführten Regierung 1998 wieder eingeführt zu werden. Drittens sind weder das französische Recht noch die Praxis in den vergangenen Jahren in jeder Beziehung liberaler, verstanden als "einbürgerungsfreundlicher", gewesen. Viertens - und diese Erkenntnisse beziehen sich auf die Implementierungsebene der Einwanderungspolitik - lassen sich erhebliche Unterschiede in der Praxis nachgeordneter Behörden in den einzelnen Regionen und Bundesländern feststellen. Dieses Ergebnis ist mit Blick auf den französischen Zentralismus überraschend. Die Untersuchung zeigt, dass Einwanderungspolitik - gerade vor dem Hintergrund zunehmender Kompetenzen der Europäischen Union - in Bewegung geraten ist und die Frage "Wer darf Mitglied werden?" auch in Zukunft nichts an Aktualität einbüßen wird. Inhaltsübersicht: I. Rechtliche Grundlagen und administrative Praxis: 1. Begriffsbestimmungen: Staatsangehörigkeit und Einbürgerung; 2. Historischer Abriß des Staatsangehörigkeitsrechts: Kontinuitäten und Wendepunkte; 3. Die Einbürgerung der ersten Generation; 4. Einbürgerung der ausländischen Ehepartner; 5. Die Einbürgerung der zweiten Generation: adoptierte Staatskinder?; 6. Ergebnisse des ersten Teils: Rechtliche Grundlagen und administrative Praxis. II. Bilanz der Implementation: nationaler, regionaler und bewerberspezifischer Vergleich: 1. Vergleich der deutschen und französischen Einwanderungssituation; 2. Die Entwicklung der Einbürgerungszahlen; 3. Erfolge und Defizite bei den Einbürgerungsgruppen; 4. Das Profil der Eingebürgerten: Wer wird Deutscher/Franzose? 5. Regionale Disparitäten in der Einbürgerungspolitik; 6. Ergebnisse des zweiten Teils: Bilanz der Implementation. III. Konzeptionen der Staatsbürgerschaft im parlamentarischen Diskurs: 1. Die Bedeutung des politischen Diskurses für die Einwanderung; 2. Generelle Beobachtungen zum parlamentarischen Diskurs; 3. Zentrale Schlüsselbegriffe in den parlamentarischen Debatten; 4. Ergebnisse des dritten Teils: Konzeption der Staatsbürgerschaft im parlamentarischen Diskurs.
Stefan Gänzle (GÄ)
Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.232.212.612.352.3152.343 Empfohlene Zitierweise: Stefan Gänzle, Rezension zu: Heike Hagedorn: Wer darf Mitglied werden? Opladen: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/12794-wer-darf-mitglied-werden_15326, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 15326 Rezension drucken
CC-BY-NC-SA