/ 12.05.2016
Darío Montero
A Taylorian Approach to Social Imaginaries. The Origins of Chile's Democratic Culture
Jena: Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena 2015 (http://www.db-thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-31905/Thesis%20Dario%20Montero%20PDF-A.pdf); 212 S.Diss. Jena; Begutachtung: H. Rosa, Ch. Taylor. – In den chilenischen Massenprotesten 2011 sieht Darío Montero mehr als nur eine Demonstration gegen das Bildungssystem – sie seien Ausdruck tiefer Unzufriedenheit einiger Teile der Bevölkerung mit dem Staat. Der Autor fragt, wie sich diese Proteste erklären lassen, zumal Chile als stabile Demokratie gilt und zu den wohlhabenden Nationen in Südamerika zählt. Um sich dem Phänomen zu nähern, zieht Montero den Ansatz der gesellschaftlichen Vorstellungen von Charles Taylor heran. Seine Analyse beginnt mit der Gründung der chilenischen Republik, da er die These vertritt, dass sich die gegenwärtige Legitimations‑ und Repräsentationskrise des politischen Systems sowie die Proteste auf die speziellen historischen Umstände, unter denen der Nationalstaat gegründet wurde, zurückführen lassen. Er arbeitet heraus, dass sich bereits in der Kolonialzeit zwei unterschiedliche gesellschaftliche Vorstellungen von Demokratie herausgebildet haben, die sich radikal voneinander unterscheiden und bis heute in der Gesellschaft koexistieren: auf der einen Seite die Konservativen, zu denen damals die Pelucones (aristokratische Konservative), Bernardo O’Higginis und seine Anhänger, Kaufleute und Vertreter der Kirche zählten, die eine spezielle Verbindung eines quasi‑monarchischen Staates mit dem Ethos des modernen, auf Individuen zentrierten Liberalismus vertraten; auf der anderen Seite die Liberalen, bestehend aus Pipiolos, Föderalisten und der breiten Masse des Volkes. Sie waren zwar auch von liberalen Idealen inspiriert, stützten sich aber vor allem auf ihre Jahrhunderte alte Tradition, bestehend aus politischer Selbstbestimmung und lokalem Gewohnheitsrecht. Entsprechend favorisierten sie einen moderaten, föderalen Staat, in dem die Regierung auch die Autonomie der Pueblos mit ihren Räten und ihrer demokratischen Praxis akzeptieren sollte. Sie betonten: „[T]he value of community over individualism, (local) production over (national and international) commerce, and deliberative democracy as against centralism and elite rule, owe mainly to the political and economic traditions of the pueblos” (167). Laut Montero setzten sich aber die Konservativen bei der Formulierung der Verfassung von 1833 durch. Die gesellschaftlichen Vorstellungen des Volkes hingegen sind auch später niemals institutionalisiert worden, die herrschende politische und militärische Klasse verhinderte dies – in den Protesten, Aufständen und gesellschaftlichen Bewegungen werden sie aber immer wieder sichtbar. Montero sieht darin auch die Erklärung für die Legitimationskrise des Staates und die Proteste im Jahr 2011. Einen Ausweg biete nur eine Reform der Verfassung Chiles.
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Rubrizierung: 2.65 | 2.2 | 2.22 | 5.41 Empfohlene Zitierweise: Jessica Burmester, Rezension zu: Darío Montero: A Taylorian Approach to Social Imaginaries. Jena: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39684-a-taylorian-approach-to-social-imaginaries_48227, veröffentlicht am 12.05.2016. Buch-Nr.: 48227 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA