/ 20.06.2013
Hugh Miles
Al-Dschasira. Ein arabischer Nachrichtensender fordert den Westen heraus. Aus dem Englischen von Bernhard Jendricke, Gabriele Gockel und Maria Zybak, Kollektiv Druck-Reif
Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 2005; 336 S.; pb., 24,80 €; ISBN 3-434-50594-6Der Journalist und Nahostexperte Miles beschreibt in dieser lebendig geschriebenen Reportage die Gründungsgeschichte, die Arbeit und die Zukunftspläne des umstrittenen arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira. Das Regierungsoberhaupt Katars, Scheich Hamad, gründete den Sender 1996. Er sollte redaktionell unabhängig sein, was eine Neuerung in der damaligen arabischen Fernsehlandschaft darstellte. Bald wurde Al-Dschasira in der arabischen Welt populär und profilierte sich u. a. durch umstrittene Diskussionssendungen sowie einflussreiche religiöse Formate, in denen liberale Standpunkte vertreten wurden. In die internationale Aufmerksamkeit geriet der Sender durch seine Berichterstattung aus Afghanistan, dem Irak und über die zweite Intifada. Die Ausstrahlung von Bin Laden-Videos und die im Gegensatz zur jeweiligen offiziellen Darstellung stehenden Bilder von brutalen Angriffen und zivilen Opfern in Konflikten lösten viel Kritik aus. Dem Sender wurden – je nach dem Thema der Berichterstattung – u. a. finanzielle Abhängigkeiten und enge Verbindungen zu den Taliban, zu Al Kaida, zum israelischen Geheimdienst und zur CIA unterstellt; offiziell wird er von der Regierung von Katar finanziert. Auch wurde dem Sender vorgeworfen, Hass, Gewalt und Intoleranz zu schüren. Dagegen verteidigt sich die Redaktion mit dem Argument, sie bemühe sich um eine Darstellung aller Standpunkte zu einem Thema und dazu gehörten auch konservative, militante, antidemokratische und antiamerikanische Stimmen. Derzeit wird die Einführung einer englischsprachigen Ausgabe von Al-Dschasira vorbereitet. Auch wenn der Sender bei einem Scheitern dieses Projektes wahrscheinlich an Bedeutung verlieren würde, so Miles, habe er die Berichterstattung in der arabischen Welt nachhaltig verändert und könne als Wegbereiter eines modernen und freien Journalismus gelten.
Silke Becker (BE)
Dipl.-Soziologin; freie Journalistin.
Rubrizierung: 2.22 | 2.63 | 2.68 | 4.41
Empfohlene Zitierweise: Silke Becker, Rezension zu: Hugh Miles: Al-Dschasira. Hamburg: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/24652-al-dschasira_28474, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 28474
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Dipl.-Soziologin; freie Journalistin.
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