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/ 11.06.2013
Jochen Baumann / Andreas Dietl / Wolfgang Wippermann

Blut oder Boden. Doppelpaß, Staatsbürgerrecht und Nationsverständnis

Berlin: Elefanten Press 1999 (Antifa Edition); 159 S.; pb, 24,90 DM; ISBN 3-88520-750-8
Fragen des Staatsbürgerrechts können - wie das Beispiel Hessen 1999 gezeigt hat - von wahlentscheidender Bedeutung sein. Aus der Opposition heraus gelang es bekanntlich der CDU - vor dem Hintergrund einer bundesweiten, aufwendig und professionell geführten Unterschriftenkampagne - das Thema der Staatszugehörigkeit so wirkungsvoll zu politisieren, daß die amtierende Koalition von SPD und Grünen abgelöst werden konnte. Mit dem hessischen Regierungswechsel hatte auch das bis dahin auf Bundesebene gemeinsam verfolgte "rot-grüne" Reformprojekt einer doppelten Staatsbürgerschaft seine Mehrheitsfähigkeit verloren. Das dann im Mai 1999 verabschiedete Staatsangehörigkeitsgesetz, mit dem das aus dem Jahre 1913 stammende Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz geändert worden ist, bildet nur einen Kompromiß, der zwar Kindern ausländischer Eltern den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft erleichtert, aber das grundlegende Abstammungsprinzip (Art. 116 GG) nicht aufhebt. So gesehen ist die Unterschriftenaktion doppelt lehrreich: Sie demonstriert einerseits den virtuosen, machttechnisch motivierten Einsatz quasi-plebiszitärer Formen und sie verweist andererseits auf die hohe Bedeutung einer politischen Rhetorik, die die Zugehörigkeit zum "politischen Verband" definiert (107 ff.). Daß diese Rhetorik im deutschen Kontext statt einer republikanisch bestimmten Staatsbürgernation zu folgen immer noch an einen letztlich völkisch geprägten Nationenbegriff gebunden ist, zeigen - immer mit Blick auf die aktuelle Debatte - die drei thematisch gut aufeinander abgestimmten Beiträge des Bandes. Zusätzlich informiert ein kurzer Dokumentenanhang über wichtige Etappen der Entwicklung des deutschen Staatsbürgerrechts. Inhalt: Wolfgang Wippermann: Das Blutrecht der Blutsnation. Zur Ideologie- und Politikgeschichte des ius sanguinis in Deutschland (10-48); Jochen Baumann: Staatsangehörigkeit und Citizenship. Das deutsche Staatsbürgerrecht im europäischen Vergleich (49-106); Andreas Dietl: Das Blutrecht gewinnt an Boden. Die Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland (107-126); Dokumente: Zur Entwicklung des Staatsbürgerschaftsrechts in Deutschland (127-143).
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.352.374.422.313 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Jochen Baumann / Andreas Dietl / Wolfgang Wippermann: Blut oder Boden. Berlin: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/10042-blut-oder-boden_11877, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 11877 Rezension drucken
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