/ 17.06.2013
Peter Waldmann
Der anomische Staat. Über Recht, öffentliche Sicherheit und Alltag in Lateinamerika
Opladen: Leske + Budrich 2002; 261 S.; kart., 24,80 €; ISBN 3-8100-3434-7Staatliche Ordnung und Anomie bezeichnen zunächst Gegensätzliches; der Begriff des anomischen Staates ist insofern ein Widerspruch in sich. Doch dies - so der Ausgangspunkt der Arbeit - ist nicht immer zutreffend. Wenn etwa ein Staat die von ihm aufgestellten Normen nicht durchsetzen kann, Willkür bei staatlichen Funktionsträgern (Polizei, Militär, Justiz), Korruption und Selbstjustiz die Regel sind, ist eine massive generelle Verunsicherung des Einzelnen und eine regelmäßige Missachtung von Normen die Folge. Ein solcher Zustand der Anomie wird, so der Autor weiter, nicht selten durch den Staat selbst erzeugt; wenn etwa willkürlich herrschende Militärdiktaturen Rechtssicherheit und soziale Normen zerstören, um ihre Herrschaft zu stabilisieren. Die teilweise bereits anderweitig veröffentlichen Beiträge des Buches entfalten diese Thematik am Beispiel Lateinamerikas aus unterschiedlichen Perspektiven; ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Betrachtung der Sicherheitskräfte.
Inhalt: 1. Einleitung: Zum Konzept des anomischen Staates. Staaten ohne verbindliches Recht: 2. Warum sich das europäische Staatsmodell in Lateinamerika nicht durchsetzte; 3. Die Rolle der Verfassung in der Gründungsphase der USA und der lateinamerikanischen Staaten; 4. Hemmnisse für den Rechtsstaat in Lateinamerika; 5. Alternative Normensysteme zur staatlichen Rechtsordnung in Lateinamerika. Bedrohung statt Schutz: die staatlichen Sicherheitskräfte: 6. Staatliche und parastaatliche Repressionen; 7. Vigilantismus, Demokratisierung und die Rolle der Polizei; 8. Selbstverständnis, Organisation, Machtmißbrauch: Porträt der lateinamerikanischen Polizei. Nationale und lokale Ausprägungen von Anomie: 9. Gesellschaftliche Auswirkungen der Hyperinflation in Argentinien; 10. Regelsprengender Individualismus: Ein Essay zum Normenverständnis der Argentinier; 11. Veralltäglichung von Gewalt: das Beispiel Kolumbien; 12. Sozialverhalten in einer staatsfernen Region: Santa Cruz de la Sierra (Bolivien).
Silke Becker (BE)
Dipl.-Soziologin; freie Journalistin.
Rubrizierung: 2.2 | 2.65
Empfohlene Zitierweise: Silke Becker, Rezension zu: Peter Waldmann: Der anomische Staat. Opladen: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/16591-der-anomische-staat_19055, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 19055
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Dipl.-Soziologin; freie Journalistin.
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