Skip to main content
/ 03.06.2013
Gerd Kräh

Die Freiheitlichen unter Jörg Haider. Rechtsextreme Gefahr oder Hoffnungsträger für Österreich? Mit einem Vorwort von Kurt Sontheimer

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 1996; 328 S.; 59,- DM; ISBN 3-631-30374-2
Politikwiss. Diss. München; Erstgutachter: K. Sontheimer. - Die FPÖ und ihre Wahlerfolge seit Mitte der achtziger Jahre haben die österreichische Parteienlandschaft dramatisch verändert. Die Ursachenforschung für diese Entwicklung geht dabei zwischen personifizierten Urteilen über ihren Exponenten Jörg Haider einerseits und der Frage, ob die FPÖ rechtsextrem ist oder nicht andererseits etwas verloren. Kräh will hier eine Lücke schließen und die Entwicklung der FPÖ unter Haider zwischen 1986 und 1994 unter Zuhilfenahme mehrerer Faktoren untersuchen. Sein Material reicht von einer intensiven Literatur- und Zeitungsauswertung über Wahlergebnisse, demoskopisches Material sowie Interviews mit Befürwortern und Gegnern Haiders. Die etwas unglückliche und unausgewogene Benennung möglicher Resultate im Untertitel spiegelt Krähs Bemühen, weitgehend vorurteilsfrei an sein Thema heranzugehen. Er stellt den Aufstieg der FPÖ in den Zusammenhang der generellen Erosion des österreichischen Parteiensystems. Ausgehend von einer Analyse der politischen Kultur Österreichs und dem Wandel des Parteiensystems beschäftigt er sich mit der Persönlichkeit Haiders und seiner Rolle in der FPÖ. Kräh versucht eine Standortbestimmung der Partei, stellt die ausländerpolitischen Vorstellungen als Beispiel für rechtspopulistische Fundamentalopposition dar, fragt nach den Wählerstrukturen der FPÖ und faßt abschließend Ursachen für ihren Erfolg zusammen. Haider attestiert er einen "völlige[n] Mangel an politischen Prinzipien und Grundüberzeugungen" (113) und gleichzeitig "persönliches Charisma" (119); die Partei habe sich unter seinem Einfluß "zu einer entideologisierten Bewegung entwickelt, die ihre historischen Traditionen durch populistische Rhetorik ersetzt hat" (218) und in erster Linie von den Fehlern der Regierungsparteien profitiere. Auch die rechtsextremen Ausfälle seien keine Anzeichen einer geschlossenen Parteiprogrammatik. Betrachtet man jedoch den Opportunismus Haiders und seine Fixierung auf das Ziel, Bundeskanzler zu werden - ein Ziel, dem er nach Kräh alles andere unterordnet -, so stellt sich doch die Frage, ob die FPÖ ebenso "entideologisiert" bleiben würde, wenn sie maßgeblich die Regierungspolitik mitgestalten könnte. Schon aufgrund der Materialfülle wird niemand, der sich tiefergehend mit der FPÖ beschäftigen will, an Krähs Analyse vorbeikommen.
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 2.42.25 Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Gerd Kräh: Die Freiheitlichen unter Jörg Haider. Frankfurt a. M. u. a.: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/2917-die-freiheitlichen-unter-joerg-haider_3824, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 3824 Rezension drucken
CC-BY-NC-SA