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/ 31.05.2013
Gerd Koslowski

Die NATO und der Krieg in Bosnien-Herzegowina. Deutschland, Frankreich und die USA im internationalen Krisenmanagement

Vierow bei Greifswald: SH-Verlag 1995 (Kölner Arbeiten zur Internationalen Politik 2); 228 S.; kart., 48,- DM; ISBN 3-89498-018-4
Können gewaltsame ethnische Konflikte durch eine räumliche Trennung der Konfliktparteien - d. h. eine Umsiedlung oder eine Abwanderung der betreffenden Bevölkerungsgruppen - und die Schaffung ethnisch homogener autonomer Gebiete friedlich geregelt werden? Diese Frage, die laut Krist in der amerikanischen Politikwissenschaft auf Chaim Kaufmann zurückgeht, will der Autor anhand von verschiedenen Konflikten untersuchen. Den Schwerpunkt bildet dabei das Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. Im Anschluss daran untersucht Krist am Beispiel von Israel und Kanada, inwiefern Kaufmanns Konfliktregelungsansatz auch präventiv eingesetzt werden kann. Krist kommt zu dem Schluss, dass Kaufmanns "Theorie der ethnischen Trennung" (12) abzulehnen sei, weil sie erstens zu genau dem Ergebnis führe, das auch eine gewaltsam betriebene "ethnische Säuberung" anstrebe, nämlich ethnisch "reine" Gebiete zu schaffen, und weil es zweitens in der Praxis kein Vorbild für eine humane Umsiedlung gäbe. Alle Versuche in der europäischen Geschichte des vergangenen Jahrhunderts, durch Umsiedlungen eine Trennung der Konfliktparteien herbeizuführen, hätten immer zu enormen Verlusten unter den umzusiedelnden Bevölkerungsteilen geführt. Daher werde es immer fraglich bleiben, ob ein derartiger Versuch überhaupt in humaner Weise durchzuführen sei (127). Als Präventivmaßnahme hält Krist die Anwendung dieser Theorie aber für durchaus sinnvoll. Er geht davon aus, dass der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern deutlich an Schärfe hätte verlieren können, wenn es nicht zu einer Verschärfung des Konflikts durch die jüdischen Siedlungen im Westjordanland gekommen wäre. Der Fall Quebecs zeige hingegen, dass der Versuch einer nachträglichen Abgrenzung der beiden Sprachgruppen zwar eine gewisse Wirkung zeige, aber auch schwerwiegende Nachteile berge (129). Kaufmanns Theorie der ethnischen Trennung hält der Autor für die westlichen Demokratien daher insgesamt für undenkbar. Die Umsiedlung von Bevölkerungsteilen sei jedoch in bestimmten Situationen durchaus erwägenswert (129). Was die praktische Umsetzung dieses Instruments angehe, gelte es für jeden einzelnen Fall eine besondere Lösung auszuarbeiten. Der grundsätzliche Wert dieser Arbeit liegt darin, dass hier eine Konfliktregelungsmöglichkeit untersucht wird, die in der Literatur zwar vereinzelt genannt, nur selten aber ausführlich auf die Machbarkeit abgeklopft wird. Leider hat das Buch formale Schwächen. Zum einen genügt es stellenweise wissenschaftlichen Anforderungen nicht, weil z. B. wissenschaftliche Aufsätze oder Theorien nicht durch die einschlägigen Quellen sondern durch Interviews in Zeitschriften belegt werden. Zum anderen ist eine Kapitelüberschrift im Inhaltsverzeichnis ausgelassen worden. Inhalt: 2. Die Entstehung von ethnischen Konflikten: 2.1. Die Eigentümlichkeit von ethnischen Konflikten; 2.2. Die Radikalisierung der Volksgruppen; 2.3. Die Diskriminierung der Ethnien; 2.4. Fazit. 3. Die Umsiedlung der Bevölkerung: 3.1. Arten der Umsiedlung; 3.2. Zur Historie der ethnischen Trennung; 3.3. Der völkerrechtliche Vorbehalt von Umsiedlungen; 3.4. Die Option zur freiwilligen Umsiedlung; 3.5. Fazit. 4. Politische Möglichkeiten zur Konfliktbeilegung: 4.1. Internationale Möglichkeiten zur Friedenswahrung; 4.2. Gewaltenteilung oder ethnische Trennung in Bosnien; 4.3. Fazit; 4.4. Eigendynamik der ethnischen Trennung im Kosovo; 4.5. Fazit. 5. Die präventiven Maßnahmen zur Trennung der Ethnien: 5.1. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern; 5.2 Die Abgrenzung der Volksgruppen in Quebec. 6. Weitere Aspekte zur Umsiedlung: 6.1. Politische Überlegungen; 6.2. Schwächen des Minderheitenschutzes; 6.3. Die Weiterentwicklung des Völkerrechts; 6.4. Fazit.
Michael Broer (MB)
Dr., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 4.34.412.624.214.22 Empfohlene Zitierweise: Michael Broer, Rezension zu: Gerd Koslowski: Die NATO und der Krieg in Bosnien-Herzegowina. Vierow bei Greifswald: 1995, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/581-die-nato-und-der-krieg-in-bosnien-herzegowina_382, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 382 Rezension drucken
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