/ 20.06.2013
John Kenneth Galbraith
Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs. Vom Realitätsverlust der heutigen Wirtschaft. Aus dem Amerikanischen von Thorsten Schmidt
Berlin: Siedler Verlag 2005; 111 S.; Ln., 14,- €; ISBN 3-88680-821-1Wir leben in einem „System der Konzerne“ (30), schreibt Galbraith. Der Glaube an eine Marktwirtschaft mit souveränen Verbrauchern sei nur eine der am weitesten verbreiteten Täuschungen. Der 1908 geborene Wirtschaftswissenschaftler mit praktischen politischen Erfahrungen geht mit der Entwicklung der westlichen Wirtschaftswelt und ihrer Wahrnehmung hart ins Gericht. Der Begriff des Kapitalismus wurde seiner Ansicht nach de facto abgeschafft, da sich damit zu viele negative Assoziationen verbinden. „Marktwirtschaft“ klinge viel besser und gaukle den Menschen vor, sie seien Subjekte mit freier Willensentscheidung. Dieser „unschuldige Betrug“ sei nicht als Ergebnis einer Verschwörung zu erklären, sondern als das Ergebnis gleicher Interessen. Die freie Willensentscheidung hält Galbraith zwar nicht für ausgeschlossen oder unmöglich. Sie bedürfe aber einer eigenen Reflexion und gegebenenfalls auch eines Konsumverzichts. Geprägt sei das (Wirtschafts-)Leben heute durch Konzerne, die den Bedarf an ihren Produkten erst erzeugten. Galbraith nennt als Beispiel die US-amerikanische Rüstungsindustrie. Er skizziert deren Schaffung von Märkten, indem über Lobbyisten und mit Zusagen über die Schaffung von Arbeitsplätzen Einfluss auf das Verteidigungsbudget und die Außenpolitik genommen werde – bis hin zu der Entscheidung über Krieg und Frieden, wie im Falle der Angriffe auf Vietnam und Irak. Unbemerkt von der Öffentlichkeit habe sich damit nicht der staatliche Sektor ausgeweitet, was immer wieder als Schreckgespinst propagiert werde. „Die Usurpation staatlicher Gestaltungs- und Entscheidungsbefugnisse durch die Konzerne ist im Bereich des Umweltschutzes in bedenklicher Weise vorangeschritten, in der Verteidigungs- und Außenpolitik aber geradezu gefährlich.“ (106) Verantwortlich dafür seien nicht die Eigentümer oder Aktionäre der Konzerne, sondern deren Manager. Diese seien nicht am Gemeinwohl interessiert, sondern mittels überhöhter Gehälter auf persönlichem Raubzug.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 2.262 | 4.43 | 2.64
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: John Kenneth Galbraith: Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs. Berlin: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/23561-die-oekonomie-des-unschuldigen-betrugs_27049, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 27049
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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