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/ 19.06.2013
Bülent Küçük

Die Türkei und das andere Europa. Phantasmen der Identität im Beitrittsdiskurs

Bielefeld: transcript 2008 (Global Studies); 232 S.; kart., 25,80 €; ISBN 978-3-8376-1012-3
Diss. HU Berlin; Gutachter: K. Eder. – Die Frage einer EU-Mitgliedschaft der Türkei ist in der politischen Debatte höchst umstritten. Je weiter die Beitrittsverhandlungen voranschreiten, desto stärker – so scheint es – wird eine kulturelle Identität Europas beschworen, die mit der überwiegend islamisch geprägten der Türkei nicht vereinbar sei. Allerdings ist die dabei reklamierte europäische Identität eine Konstruktion, die selbst innerhalb der EU durchaus als kontrovers gelten kann – nicht zuletzt deshalb, weil sie die Differenz gegenüber dem in der Öffentlichkeit kommunizierten Türkeibild offensichtlich verstärken soll. Vor diesem Hintergrund befasst sich der Autor mit den diskursiven Praktiken, die auf europäischer wie auf türkischer Seite zur Artikulation und zum Gebrauch kollektiver Identitäten beitragen. Für diese Zwecke setzt er sich zunächst – einerseits an Foucault, andererseits an Chantal Mouffe, Slovaj Zizek und Michail Bakhtin anschließend – mit konzeptionellen Fragen der Diskurstheorie auseinander. Auf dieser Basis und ausgehend von den Arbeiten Edward Saids über den Orientalismus, analysiert er die Bedeutung des Ostens im Formierungsprozess der westeuropäischen Identität. Komplettiert wird dieser Teil durch eine Diskussion zentraler Strukturelemente der türkischen Modernität und der Rolle, die die Wahrnehmung Europas in diesem Zusammenhang spielt. Um Akteure, Themensetzungen und Deutungsstrategien auch empirisch zu verdeutlichen, untersucht der Autor die Dezemberausgaben von drei türkischen und drei deutschen überregionalen Zeitungen. Insgesamt macht die Studie plausibel, dass sich in den Auseinandersetzungen über den EU-Beitritt jeweils konträre Diskursformationen aufweisen lassen: auf deutscher (bzw. europäischer) Seite eine exklusive Konzeption europäischer Identität, die die kulturellen Differenzen betont und eine inklusive Position, die der Türkei eine Brückenfunktion zuspricht. Auf türkischer Seite hingegen stehen sich ein kontra-europäischer nationalistischer und ein eher pragmatisch ausgerichteter pro-europäischer Diskurs gegenüber.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.633.1 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Bülent Küçük: Die Türkei und das andere Europa. Bielefeld: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/21575-die-tuerkei-und-das-andere-europa_35223, veröffentlicht am 20.01.2009. Buch-Nr.: 35223 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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