/ 03.06.2013
Alejandro Alvarez
Die verfassunggebende Gewalt des Volkes unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und chilenischen Grundgesetzes
Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 1995 (Schriften zum internationalen und zum öffentlichen Recht 7); 425 S.; 108,- DM; ISBN 3-631-48207-8Rechtswiss. Diss. Göttingen; Erstgutachter: G. Gornig. - Alvarez geht aus der Sicht der allgemeinen Verfassungslehre der Frage nach, ob die Verfassungen in Deutschland und Chile dem Volkswillen entsprechen. Dazu werden zunächst Begriff, Natur, Subjekt, Ausübung und Grenzen der verfassunggebenden Gewalt des Volkes untersucht. Der Autor sieht zwei Legitimationsquellen für eine Verfassung: einerseits Legitimität durch den Prozeß der Verfassungsgebung, in dem der echte und freie Volkswille zum Ausdruck kommen muß; andererseits Legitimität der Verfassung durch die tatsächliche Anerkennung im Volk. "Nach einer bestimmten Zeit verliert die ursprüngliche Legitimität einer Verfassung an Bedeutung und es geht vielmehr um den Konsens über das Verfassungsrecht, der die Grundlage der normativen Geltung und der Kraft der Verfassung ist." (383)
Im weiteren werden mögliche sowie die schließlich umgesetzten Optionen bei der Verfassungsgebung in Deutschland und in Chile eingehend erörtert. Bezüglich der Verfassungsdiskussion in Deutschland, insbesondere nach der deutschen Vereinigung stellt Alvarez fest, "daß mehr als 40 Jahre effektiver Geltung einer Verfassung wertvoller sind als der einmalige formelle Akt der Akklamation" (378 f.). Ein Plebiszit über das Grundgesetz ist auch nach der Vereinigung weder geboten noch notwendig, sondern kann die Verfassungsstabilität eher gefährden. Die 1980 mit einem Plebiszit eingeführte chilenische Verfassung mit dem Übergang von der Diktatur zur Demokratie hatte zwar Geburtsfehler durch ein inkorrektes Wahlverfahren. Die andauernde Zustimmmung des Volkes ist jedoch offensichtlich: Von einer neuen Verfassung ist in Chile nicht mehr die Rede, ein Grundkonsens ist erreicht. Allerdings ist die Verfassung durch die andauernden Reformdiskussionen noch nicht völlig unumstritten.
Inhaltsübersicht: 1. Die Lehre der verfassunggebenden Gewalt des Volkes; 2. Die gegenwärtige Verfassungslage Deutschlands: Die Rolle des Art. 146 GG n. F. im Verfassungsgefüge; 3. Die gegenwärtige Verfassungslage Chiles: Zerstörung und Bildung des Verfassungskonsenses.
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.21 | 2.65 | 2.32
Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Alejandro Alvarez: Die verfassunggebende Gewalt des Volkes unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und chilenischen Grundgesetzes Frankfurt a. M. u. a.: 1995, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/796-die-verfassunggebende-gewalt-des-volkes-unter-besonderer-beruecksichtigung-des-deutschen-und-chilenischen-grundgesetzes_650, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 650
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M. A., Politikwissenschaftler.
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