/ 11.06.2013
Nikolaus Katzer
Die weisse Bewegung in Rußland. Herrschaftsbildung, praktische Politik und politische Programmatik im Bürgerkrieg
Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 1999 (Beiträge zur Geschichte Osteuropas 28); XVI, S.; geb., 148,- DM; ISBN 3-412-11698-XHabilitationsschrift Bonn. - "[w]er sich eigentlich hinter den antibolschewistischen Fronten politisch verbarg, welche Ziele er verfolgte, wie er das besetzte Land regierte, mit welchen Methoden er eine Armee aufbaute, über welche soziale Basis er verfügte" (2): Dies sind die Leitfragen der umfassenden Untersuchung zur Geschichte der "Weißen Bewegung", einem zwar zeitgenössisch geprägten Begriff, der dennoch keine hinreichend klare Bestimmung zuläßt, welche politischen oder gesellschaftlichen Gruppierungen damit bezeichnet werden sollten, wie der Autor einleitend feststellt. Tatsächlich lasse sich eine solche "Weiße Bewegung" ab Ende 1918 als Sammelbecken für alle nichtsozialistischen Kräfte in der Opposition zur bolschewistischen Revolutionsregierung ausmachen (6). Als Analyse der "russischen Gegenrevolution" (11) konzentriert sich die Untersuchung weniger auf die konkurrierenden bzw. widersprüchlichen programmatischen Entwürfe als auf die praktische Politik und die unmittelbaren Reaktionen der Konterrevolutionäre im Verlauf der Revolution und des Bürgerkrieges. Das Interesse richtet sich dabei auch auf die Untersuchung des "dritten Weges" in Abkehr vom schematischen Rechts/Links-Dualismus, wie ihn die sozialistischen Parteien einzuschlagen versuchten. Darüber hinaus werden bewußt lokale bzw. regionale Besonderheiten oder Abweichungen von den generellen Entwicklungslinien berücksichtigt, um der Reduktion auf eine zentralistische Perspektive, wie sie vielfach naheliegt, zu begegnen. Die Studie fußt, neben der Auswertung des einschlägig veröffentlichten Quellenmaterials sowie den seit 1990 zugänglich gewordenen Aktenbeständen der ehemaligen sowjetischen Archive, auf einer Vielzahl zu diesem Zweck erstmals zusammengeführter Dokumente aus der Hinterlassenschaft der ersten Generation russischer Emigranten.
Aus dem Inhalt: A. Die politischen Kräfte im Jahre 1917; B. Reich ohne Grenzen: Bürgerkrieg und politische Macht: 1. Weiße Armeen und Gegenregierungen; 2. Der Untergrund in Sowjetrußland; 3. Die Militärdiktatur im Süden; 4. Wolga und Ural: Die "russische Demokratie" auf dem Vormarsch; 5. Allrussische Regierung in Sibirien und Fernost. C. Das weiße Rußland in der politischen Praxis: 1. Weißer Terror, 2. Propaganda und Agitation; 3. Außenpolitik ohne Staat: Das Dilemma der russischen Diplomatie. D. Programmatik und Ideologie: 1. Entwürfe für einen künftigen russischen Staat; 2. Einheitsstaat oder Föderation?; 3. Kirche und Staat; 4. Landreform und Bauernfrage; 5. Arbeitergesetzgebung. E. Das Rußland jenseits der Grenzen: Die politische Emigration; Schluß: Antibolschewismus und Weiße Bewegung. Zum Problem politischer Alternativen im Bürgerkrieg.
Michael Hein (HN)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Arbeitsstelle für graphische Literatur, Universität Hamburg, freier Lektor, Übersetzer, Publizist.
Rubrizierung: 2.62 | 2.25
Empfohlene Zitierweise: Michael Hein, Rezension zu: Nikolaus Katzer: Die weisse Bewegung in Rußland. Köln/Weimar/Wien: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/10770-die-weisse-bewegung-in-russland_12735, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 12735
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Arbeitsstelle für graphische Literatur, Universität Hamburg, freier Lektor, Übersetzer, Publizist.
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