/ 22.06.2013
Karin Fischer
Eine Klasse für sich. Besitz, Herrschaft und ungleiche Entwicklung in Chile 1830-2010
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011 (Studien zu Lateinamerika 9); 205 S.; brosch., 39,- €; ISBN 978-3-8329-6135-0Diss. Wien. – Die Autorin beschreibt die besitzenden Klassen in Chile als ein heterogenes Akteursgeflecht aus Großgrundbesitz und Agrarwirtschaft sowie Finanz- und Handelsbourgeoisie, das sich trotz konkurrierender Interessen durch Beharrlichkeit und Kontinuität ausgezeichnet habe. „In Chile entwarfen politische und gesellschaftliche Akteure als Reaktion auf Krisen in Wirtschaft und Gesellschaft immer wieder strategisch weitreichende Projekte. Dennoch gelang es den besitzenden Klasen, ihre politische Macht zu erhalten und nicht nur in Krisenzeiten als eine kollektive soziale Klasse zu handeln.“ (15) Diesen Prozess der Klassenbildung in umfassender Weise zu rekonstruieren, ist das Ziel dieser Studie, für die Fischer auf die Regulationstheorie und die neogramscianische Schule der Globalen Ökonomie zurückgreift. Wann und inwieweit es den Händlern, Großgrundbesitzern, Industriellen und Spekulanten gelang, gemeinsame Ordnungsvorstellungen zu entwickeln und durchzusetzen und ob sie in der Lage waren, „nicht nur zu herrschen, sondern die politische, intellektuelle und moralische Führung auszuüben“ (16) untersucht die Autorin für den Zeitraum von der Unabhängigkeit Chiles 1810 bis in die Gegenwart. Die Arbeit gliedert sich im Wesentlichen entlang der weltwirtschaftlichen Zyklen und nationalen Entwicklungspfade, für die jeweils die ökonomischen, politischen, sozialen und ideologischen Faktoren betrachtet werden. Neben den Akteursgruppen, die der Bourgeoisie zuzuordnen sind, werden die regierende Klasse sowie Spitzenmanager und Intellektuelle in die Untersuchung einbezogen. Damit werden sich wandelnde Allianzen wie Kontinuitätslinien im Verlauf der wechselhaften Wirtschafts- und Politikgeschichte Chiles deutlich. Für das gegenwärtige Chile unter der Regie eines „demokratischen Neoliberalismus“ (136 ff.) verweist die Autorin u. a. darauf, dass das neoliberale Modell gerade dadurch an Legitimität gewinnen konnte, weil es von einem Mitte-Links-Bündnis getragen und stabilisiert wurde. Daran, dass sich seit dem Amtsantritt der rechten Regierung die sozialen Konflikte verschärfen, zeige sich, „dass die Konsolidierung der neoliberalen Regulationsweise in der Demokratie wesentlich voraussetzte, dass die durch die Diktatur diskreditierte Rechte nicht die regierende und staatstragende Klasse war“ (181).
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.65 | 2.22 | 2.23
Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Karin Fischer: Eine Klasse für sich. Baden-Baden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/34858-eine-klasse-fuer-sich_41902, veröffentlicht am 05.07.2012.
Buch-Nr.: 41902
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