/ 20.06.2013
Maria Mesner (Hrsg.)
Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel der SPÖ
Wien/München: Oldenbourg Verlag 2005; XIII, 362 S.; brosch., 39,80 €; ISBN 978-3-486-57815-7Der SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer beauftragte im Jahre 2000 das Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien in einer umfangreichen Studie die Frage zu beantworten, „wie die Nachkriegs-SPÖ mit jenen, die Mitglieder der NSDAP gewesen waren bzw. in nachvollziehbarer Weise vom NS-Regime profitiert hatten, umging“ (1). Ein Team von sechs Wissenschaftlern um Mesner wählte eine Untersuchungsgruppe, die aus über 1.021 Personen der Parteielite – darunter 401 Parlamentariern – bestand. Die quantitative Auswertung ergab, dass etwa 10 % der untersuchten SPÖ-Funktionäre NSDAP-Mitglieder gewesen waren. In den ersten Nachkriegsmonaten sei die SPÖ bemüht gewesen, Nationalsozialisten aus Staat und Partei fernzuhalten. „Hunderttausende ehemalige NSDAP-Mitglieder dauerhaft vom politischen Meinungsbildungsprozess“ (333) auszuschließen, hätte jedoch zu einem demokratiepolitischen Problem geführt, so Mesner. Angesichts der Wahlen im November 1945 habe eine Konkurrenz der Parteien um die früheren NSDAP-Mitglieder eingesetzt.Im Ausgang der Wahlen 1945 sieht die Herausgeberin eine wichtige Zäsur für die SPÖ in Bezug auf ihre Haltung zu den Entnazifizierungsgesetzen. Das Ergebnis der Nationalratswahl schien die ÖVP zu bestätigen, die sich für die sofortige Reintegration von NS-Parteiangehörigen einsetzte. In der SPÖ habe sich die Haltung der Gruppe um Adolf Schärf und Oskar Helmer durchgesetzt, sodass auch die SPÖ nun für gesetzliche Regelungen eintrat, die eine rasche Rehabilitierung und Reintegration ehemaliger einfacher NSDAP-Mitglieder ermöglichte. Je länger der Zusammenbruch des Dritten Reiches zurücklag, desto großzügiger habe sich die SPÖ gegenüber jenen verhalten, die das NS-Regime unterstützt hätten, lautet ein weiteres Untersuchungsergebnis. Mit der Entfernung von Wien habe auch die Toleranz gegenüber ehemaligen Nazis zugenommen. Nach Ende der 50er-Jahre habe es kaum noch innerparteiliche Diskussionen zum Umgang mit ehemaligen Nationalsozialisten gegeben.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.4 | 2.23 | 2.22
Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Maria Mesner (Hrsg.): Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Wien/München: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/24522-entnazifizierung-zwischen-politischem-anspruch-parteienkonkurrenz-und-kaltem-krieg_28321, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 28321
Inhaltsverzeichnis
Rezension drucken
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
CC-BY-NC-SA