Auf knappem Raum das Österreich des 20. Jahrhunderts präsentieren, sodass sich auch Laien „einen Überblick verschaffen“ (7) können, und zugleich die „Erhebung eines Forschungsstandes“ (7) zu unternehmen, ist auf so wenigen Seiten ein mehr als schwieriges Unterfangen. Teil eins zur Politik der zwei Nachkriegsrepubliken, verfasst von Binder, fällt entsprechend gedrungen und komplex formuliert aus. Der Ehrgeiz der Vollständigkeit hat hier eindeutig Vorrang vor der Schwerpunktsetzung. Die Verschränktheit und Länge der Sätze erschweren die Lektüre des Textes, der mehr enzyklopädisch denn essayistisch anmutet. Die folgenden Kapitel zu Wirtschaft, Gesellschaft und Identität Österreichs, deren Autor Bruckmüller ist, sind zugänglicher und klarer in Sprache und Aussage. Für den ganzen Band trifft jedoch zu, dass keine Kontroversen und Forschungsfragen aufgezeigt werden. Österreichs Geschichte nach dem Ende des kaiserlich-königlichen Reiches und die Beziehungen zum „neuen“ Ausland im Osten der Alpenrepublik, das Verhältnis zur NS-Vergangenheit und zum geopolitischen „Westen“ stellen sich hier als zweifelsfreie Tatsachen dar, nicht als geschichtswissenschaftliche Untersuchungsgegenstände. Spannende Fragen nach politischen innergesellschaftlichen Brüchen treten in den Hintergrund. Eingängig herausgestellt werden dafür die verschiedenen Leitbilder einer Identitätsstiftung – die deutsche Sprache, die außenpolitische Neutralität, das Modell der Sozialpartnerschaft, und auch der Bezug zur „schönen Landschaft“ (110) der Alpenrepublik.