Der Autor hat als Korrespondent mehrerer deutschsprachiger Zeitungen über Jahrzehnte hinweg in Lateinamerika gelebt und reklamiert von daher die empathische Perspektive des kulturellen Insiders für sich und sein Buch. Ohne dezidiert akademischen Anspruch, aber auch abseits eines allzu saloppen Journalismus will er im Wesentlichen bereits Bekanntes neu ordnen. Das Ergebnis ist eine eher episodisch wirkende Überblicksdarstellung, mit der aber „der Sinn für das Wesentliche in der Entwicklung – und das heißt hier vor allem: der Unterentwicklung, Fehlentwicklung, Nichtentwicklung – Lateinamerikas geschärft werden“ soll (13). Rey will erklärtermaßen kein Patentrezept für eine angemessene Entwicklung(spolitik) anbieten. Gleichwohl bleibt die implizite Stoßrichtung seines Buches nicht verborgen, schließt die Darstellung doch moralisierend und feuilletonistisch mit superlativischen Adjektiven gewürzt durchweg auch die Suche nach den Schuldigen an der gegenwärtigen Lage Lateinamerikas mit ein – seien dies nun die ehemaligen Kolonialmächte bzw. in jüngerer Zeit der als Schlagwort gebrauchte Neoliberalismus oder das „Diktat des globalisierten Kapitals“ (249). Mit charakteristischem Mangel an Differenzierung treten so die „Reichen und Mächtigen“ (9) oder die „IWF-Bürokraten“ (10) auf der einen Seite den „Millionen verelendeter Kleinbauern und Landarbeiter[n]“ (20) auf der anderen gegenüber. Als für den Rahmen dieses Buches zu weitläufig hat Rey die ursprünglich geplante Untersuchung über den Beitrag, den die politische Linke zur Entwicklung Lateinamerikas möglicherweise leisten könnte, auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.