/ 31.05.2013
Patrick Horst
Haushaltspolitik und Regierungspraxis in den USA und der Bundesrepublik Deutschland. Ein Vergleich des haushaltspolitischen Entscheidungsprozesses beider Bundesrepubliken zu Zeiten der konservativen Regierungen Reagan/Bush (1981-92) und Kohl (1982-93)
Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 1995 (Beiträge zur Politikwissenschaft 61); 495 S.; 118,- DM; ISBN 3-631-48536-0Politikwiss. Diss. Hamburg 1995; Erstgutachter: W. Steffani. – Ausgehend von der Prämisse, daß die Haushaltspolitik die innenpolitische Regierungspraxis widerspiegelt, geht Horst der Frage nach, wie die USA und die Bundesrepublik in der Zeit von 1981 bis 1993 bzw. bis 1992 regiert wurden. Er bilanziert in vergleichender Perspektive Kontinuität und Wandel im Institutionengefüge beider Staaten. So wird die jeweilige spezifische Bedeutung der Parlamente herausgearbeitet, der Kongreß als "Nebenregierung", der Bundestag als "Mitregierung". Im Resümee der umfangreichen Arbeit wägt Horst die jeweiligen Vorzüge und Defizite beider politischen Systeme gegeneinander ab und diskutiert Reformvorschläge.
So befürwortet der Autor abschließend für den Bundestag größere Einflußchancen für einzelne Abgeordnete, die Öffentlichkeit von Ausschüssen, größere Transparenz des Einflusses von Interessengruppen - vielfältige checks and balances nach amerikanischem Vorbild, um statt einfacher Mehrheitsbeschlüsse möglichst "gute" Beschlüsse mit breitem Konsens zu ermöglichen. Die Steuerreform von 1986 in den USA sei ein Beispiel für den Erfolg des Verfahrens eines divided government. In Deutschland dagegen sei eine Vereinfachung des Steuersystems bisher am Einfluß der Interessengruppen gescheitert, da ihr Einfluß hier weniger transparent sei als in den USA. Zudem gebe es hier ein Übergewicht der Fraktionsführer und zu wenig Partizipationschancen für die einzelnen Abgeordneten.
Diese Sichtweise kann deshalb nicht überzeugen, weil – so Horsts eigener empirischer Befund – eine signifikante Senkung des Haushaltsdefizits gerade in den USA nicht gelungen ist. Wenn der Autor diesbezüglich von mangelnder Regierungseffizienz spricht, dann verschiebt er das Problem lediglich terminologisch auf eine andere Ebene. Konsequenterweise hätte der Autor seine Forderung nach "stärkeren" Abgeordneten und transparenteren Interessenverbandseinflüssen anhand dieses Beispiels kritisch hinterfragen müssen. Horst bewertet jedoch den nur langsam fortschreitenden Abbau des Defizits lediglich als "Ergebnis eines gemeinwohlorientierten Entscheidungsprozesses", in dem die Beteiligten "meinten, daß ihren Interessen damit besser gedient sei." (438) Gleichwohl soll diese Kritik die Bedeutung des Buches als umfassender empirischer Vergleich nicht mindern.
Inhaltsübersicht: I. Einführung; 1. Die Politics-Dimension der Untersuchung; 2. Zum Stand der Forschung in Deutschland; 3. Die vergleichende Perspektive der Untersuchung; 4. Leitende Fragestellungen; II. Haushaltspolitik und Regierungspraxis in den USA 1981-1992; 1. Der Präsident als Regierungschef; 2. Der Kongreß als Nebenregierung und Legislative; III. Haushaltspolitik und Regierungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland 1982-1993; 1. Die Bundesregierung; 2. Der Bundestag als Mitregierung und Parlament; IV. Bestandsaufnahme und Bewertung; 1. Bestandsaufnahme; 2. Bewertung; 3. Reformerfordernisse?
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.32 | 2.21 | 2.322 | 2.321 | 2.64
Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Patrick Horst: Haushaltspolitik und Regierungspraxis in den USA und der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a. M. u. a.: 1995, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/522-haushaltspolitik-und-regierungspraxis-in-den-usa-und-der-bundesrepublik-deutschland_298, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 298
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M. A., Politikwissenschaftler.
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