/ 22.06.2013
Clemens Six
Hindi – Hindu – Hindustan. Politik und Religion im modernen Indien
Wien: Mandelbaum Verlag 2006 (Globalgeschichte und Entwicklungspolitik 2); 251 S.; 15,80 €; ISBN 978-3-85476-212-7„Die Frage der Verhältnisbestimmung zwischen Politik und Religion ist [...] keine marginale, sondern im Hinblick auf die Konstitution einer indischen Moderne eine ganz zentrale“ (16). Der Historiker Six erläutert, dass sich der indische Diskurs über Moderne, Nationalismus und Staatsbildung unter den Bedingungen des britischen Kolonialismus auf spezifische Art entwickelte: Als gemeinsamer Kristallisationspunkt der künftigen Nation sei früh das Religiöse in den Blick geraten. Six orientiert sich daher in seiner Analyse über die Bedeutung des Hinduismus in der Politik an dem Modell der performativen Nationsbildung – demnach bilden Sprechakte oder Sprachformeln die Wirklichkeit nicht nur ab, sondern verändern diese auch und haben damit eine unmittelbare soziale Funktion. Theoretisch wie empirisch zeigt Six, wie der politisch instrumentalisierte Hinduismus in der jüngeren Vergangenheit zu einer Ausformung des Nationalismus als Ideologie, die andere religiöse Gruppen ausschließt, beitragen hat. Vor allem die Bharatiya Janata Party (BJP), der es 1998 gelang, die Kongresspartei (die einen säkularen Nationalismus vertrat) an der Macht abzulösen, steht für einen vehement auftretenden politischen „Hindu-Chauvinismus“ (18). Six identifiziert die Partei in diesem Diskursfeld nicht nur als Hoffnungsträgerin der Armen, sondern auch als Ausdruck des Machtbewusstseins der neuen Elite. Der Hindu-Nationalismus der BJP wirke „als symbolisches Kapital für die aufstrebende Mittel- und Oberschicht, [...] die in dieser Ideologie ein geeignetes Mittel findet, ihre gesellschaftliche Hegemonie zeitgemäß zu ideologisieren und abzusichern“ (163). Dieses (Diskurs-)Konzept der Nation aber, dass sich auch außenpolitisch in einem neuen Selbstbewusstsein als Atommacht zeige, ziele unweigerlich darauf, die „unüberschaubare Pluralität des religiös-kulturellen Lebens in Indien“ zu reduzieren und „enthält damit einen grundsätzlichen Hang zur Gewalt“ (192). Diese These stützt der Autor mit einer abschließenden Betrachtung Indiens als Kampfschauplatz des religiösen Fundamentalismus. Insgesamt starben zwischen 1994 und 2005 18.151 Zivilsten bei Terroranschlägen – und bei den Unruhen in Gujarat 2002 habe die BJP-Regierung die Gewalt sogar hingenommen und zur Mobilisierung von Wähler instrumentalisiert.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.68 | 2.23 | 2.25 | 2.22
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Clemens Six: Hindi – Hindu – Hindustan. Wien: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/32797-hindi--hindu--hindustan_39169, veröffentlicht am 03.11.2010.
Buch-Nr.: 39169
Inhaltsverzeichnis
Rezension drucken
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
CC-BY-NC-SA