/ 03.06.2013
amnesty international (Hrsg.)
Jahresbericht 1996
Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1996; 557 S.; 16,90 DM; ISBN 3-596-13196-0Nicht zuletzt die Einsetzung eines UN-Hochkommissars für Menschenrechte illustriert das größere Gewicht, das Menschenrechten seit dem Ende der Blockkonfrontation auf internationaler Ebene beigemessen wird. Der diesjährige Jahresbericht von amnesty international, der weltweit wohl bedeutendsten Menschenrechtsorganisation, macht neuerlich deutlich, warum die bessere Durchsetzung von Menschenrechtsnormen so bitter nötig ist. Denn auch fünfunddreißig Jahre nach ihrer Gründung muß die Organisation in mehr als hundert Staaten Folter und Mißhandlungen von Gefangenen, in dreiundsechzig Staaten extralegale Hinrichtungen, zumeist wohl von Regimegegnern, anprangern. Auf knapp 500 Seiten werden Verletzungen der bürgerlichen und politischen Menschenrechte in 146 Staaten - von Afghanistan bis Zypern - dokumentiert. Nicht nur Regierungen werden dafür verantwortlich gemacht, sondern auch nicht-staatliche Verbände und bewaffnete Oppositionsgruppen, darunter die kurdische PKK und die palästinensische Administration in den Autonomiegebieten. Auch im Berichtsjahr 1995 ergaben sich besonders massive Übergriffe oftmals im Kontext bewaffneter Konflikte, wofür Bosnien-Herzegowina, Ruanda und Tschetschenien nur drei Beispiele darstellen.
Der Länderübersicht vorangestellt sind mehrere - erstmals um Photos ergänzte - Abschnitte über die Arbeit der Menschenrechtsorganisation und ihre Aktivitäten im Jahr 1995. Das Vorwort macht waffenexportierende Staaten, darunter die USA, Rußland, Deutschland und Großbritannien, mitverantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen im Empfänger- bzw. Endverbleibsland. In Ländern wie Afghanistan, Ruanda oder der Türkei habe das "Geschäft mit dem Terror" Folter, "Verschwindenlassen" und Hinrichtungen erst ermöglicht. Um diese Form institutionalisierter Gewissenlosigkeit für die Zukunft zu verhindern, fordert amnesty ein Exportverbot für militärische, polizeiliche und sicherheitstechnische Ausrüstungsgüter, "wenn nicht überzeugend dargelegt werden kann, daß [sie] nicht zu schweren Menschenrechtsverletzungen beitragen" (27).
Wie in den Vorjahren stellt der amnesty-Jahresbericht ein erschütterndes Dokument dar, das dem politisch Interessierten wie dem Politikwissenschaftler nicht nur solide recherchierte Daten und Fakten über die weltweite Menschenrechtssituation an die Hand gibt, sondern auch aufzeigt, wo auf nationaler und internationaler Ebene Ansatzpunkte für ihre Verbesserung existieren. Denn der Einsatz von amnesty, im vergangenen Jahr zugunsten von zehntausend Opfern staatlicher Gewalt, kann und will eine konsistente Menschenrechtspolitik nicht ersetzen.
Michael Edinger (ME)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
Rubrizierung: 4.3 | 4.42
Empfohlene Zitierweise: Michael Edinger, Rezension zu: amnesty international (Hrsg.): Jahresbericht 1996 Frankfurt a. M.: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/1097-jahresbericht-1996_1070, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 1070
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M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
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