/ 20.06.2013
David Wineroither
Kanzlermacht – Machtkanzler? Die Regierung Schüssel im historischen und internationalen Vergleich
Wien/Berlin: Lit 2009 (Politikwissenschaft 165); 409 S.; brosch., 29,90 €; ISBN 978-3-643-50051-9Politikwiss. Diss. Innsbruck; Gutachter: A. Pelinka. – Unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel kam es in Österreich zu einer mehrheitsdemokratischen Wende. Seine Regierungszeit von 2000 bis 2007 in wechselnder Koalition wird vom Autor vor allem aus der Perspektive des Machtbegriffs betrachtet. Daher stehen Schüssels Verhältnis zu seiner Partei, den Medien, Wählern und der Öffentlichkeit an zentraler Stelle der Analyse. Mit der Bildung der ersten Koalition 2000 habe sich das politische System Österreichs elementar gewandelt und seinen konsensdemokratischen Charakter abgelegt. Dies, so führt Wineroither aus, führt zur Polarisierung des politischen Wettebewerbs und animiert elektorale Gegenmacht und „ein Zusammenhang besteht auch zwischen dem Rückgang an Parteiidentifikation und der zunehmenden Personalisierung der politischen Wahrnehmung“ (58). In Anlehnung an die Definition von Karlheinz Niclauß fragt der Autor, inwieweit die Regierungszeit Schüssels als Kanzeldemokratie zu bezeichnen sei. Innerparteilich sei der Kanzler schlichtweg ohne Alternative gewesen und im Kabinett habe er die unerfahrene FPÖ anfangs klar dominieren können, „es gibt also gute Gründe für die Identifizierung einer Kanzlerdemokratie in den Jahren 2000 bis 2006“ (332). Aber Wineroither macht eine interessante Beobachtung: Trotz klaren Führungsanspruchs in der Partei, habe es dennoch ein Spannungsverhältnis gegeben. Während sich die Kanzlerdemokratie durch Nähe und Kontrolle zur Partei kennzeichne, sei ihr präsidiales Gegenüber durch Distanz und Autonomie geprägt. Mit Blick auf u. a. Großbritannien und Deutschland liege es „nahe, dass die Möglichkeit zur Hervorbringung dieses ‚präsidentiellen’ Charakteristikums entscheidend vom parteifamilialen Hintergrund beeinflusst wird“ (335). Sozialdemokratische Parteien (Schröder, Blair) begünstigten letztere Ausprägung, christdemokratische Volksparteien hingegen tendierten eher zu ersterer (Kohl, Merkel, Schüssel). Trotz einer mehrheitsdemokratischen Wende in Österreich, so das Fazit Wineroithers, sei also ein Machtgewinn Schüssels ausgeblieben, da er an der Spitze einer „hochgradig fraktionierten Volkspartei“ (341) gestanden habe.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.4 | 2.21 | 2.24
Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: David Wineroither: Kanzlermacht – Machtkanzler? Wien/Berlin: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/21914-kanzlermacht--machtkanzler_38094, veröffentlicht am 01.04.2010.
Buch-Nr.: 38094
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Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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