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/ 22.06.2013
Hans-Peter von Aarburg / Sarah Barbara Gretler

Kosova-Schweiz. Die albanische Arbeits- und Asylmigration zwischen Kosovo und der Schweiz (1964-2000) Mitherausgeber: Albanisches Institut St. Gallen

Wien/Berlin: Lit 2011 (Freiburger Sozialanthropologische Studien 18); XV, 596 S.; 2. Aufl.; brosch., 25,90 €; ISBN 978-3-8258-1371-0
Zum Zeitpunkt der letzten Schweizer Volkszählung im Dezember 2000 lebten ungefähr 170.000 Menschen albanischer Herkunft in dem Land, von denen 130.000 aus dem Kosovo stammten. Gemessen an der Gesamtbevölkerung der Schweiz und des Kosovo ist das ein beachtlicher Wert. Kurz zuvor waren die Asylzahlen nach der gewaltförmigen Eskalation des Kosovo-Konfliktes sprunghaft gestiegen. Zeitgleich avancierten Familiennachzug und Asylmigration zum Politikum, wobei insbesondere die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) im Zusammenhang mit der Zuwanderung aus dem ehemaligen Jugoslawien vor Überfremdung und organisierter Kriminalität warnte und sich mit latent xenophoben Parolen zur stärksten Partei des Landes entwickelte. Von Aarburg und Gretler versuchen die gängigen kulturessenzialistischen Klischees aufzubrechen. In ihrem Buch berichten Migranten und Migrantinnen aus dem Kosovo von ihren Erfahrungen in der Schweiz. Zu Wort kommen u. a. die Generation der heutigen Großväter, die als kurzzeitige Gastarbeiter und Saisonarbeitskräfte in die Schweiz gekommen waren, um mit ihren Gehältern die heimischen kleinbäuerlichen Betriebe zu modernisieren, und blieben, nachdem der Zusammenbruch Jugoslawiens ihre ursprünglichen Pläne zerstörte, Ehefrauen, die nach dem Beginn des Balkankrieges ihren Männern nachzogen, nachdem sie jahrelang getrennt von ihnen lebten, Frauen, die gegen patriarchale Traditionen und ihre Zwangsverheiratung aufbegehrten, ein Roma, der nach dem Einmarsch der NATO-Truppen der Bedrohung durch die Albaner entfloh, sowie ein albanischer politischer Aktivist, der als anerkannter politischer Flüchtling Asyl erhielt. Von Aarburg und Gretler kontextualisieren die biografischen Erlebnisberichte mit wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Hintergrundtexten. So entsteht ein vielschichtiges Bild, das insbesondere die unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungswelten der Geschlechter und der Generationen sichtbar werden lässt und das von der SVP getragene Narrativ vom nicht-integrierten, kriminellen Kosovaren nachhaltig erschüttert.
Marius Hildebrand (HIL)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.422.52.612.25 Empfohlene Zitierweise: Marius Hildebrand, Rezension zu: Hans-Peter von Aarburg / Sarah Barbara Gretler: Kosova-Schweiz. Wien/Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/34663-kosova-schweiz_41653, veröffentlicht am 29.03.2012. Buch-Nr.: 41653 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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