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/ 03.03.2016
Malte Thran

"Rassengerechtigkeit" und Fetischisierung von Land. Kritik der Landreform in Namibia

Marburg: Tectum Verlag 2014; 352 S.; 29,95 €; ISBN 978-3-8288-3364-7
Diss. Bremen; Begutachtung: W. Dahle, H. Melber. – Nach der Unabhängigkeit 1990 wurde in Namibia mit dem National Resettlement Programme (NRP) und anderen Maßnahmen der Umbau der Bodenordnung eingeleitet, um kommerzielles Farmland der (weißen) Siedler an ehemals benachteiligte (schwarze) Bevölkerungsgruppen umzuverteilen. Erklärtes Ziel war die Herstellung von gleichen und gerechten Lebensverhältnissen, verbunden mit Armutsbekämpfung, gesellschaftlicher Stabilität, Wachstum und ökonomischer Effizienz. Die Landreform ist, wie Malte Thran ausführt, nur schleppend angelaufen und bestimmt bis heute die Politik des Landes. Er befasst sich aus ideologiekritischer Perspektive mit der inneren Logik des NRP im Kontext des namibischen Nation‑Building‑Prozesses. Die Ziele, Methoden und, so die Ausgangsüberlegung, die mit der „Landreform verbundenen (historischen) Begründungen […] schließen ideologische Implikationen, Voraussetzungen und Rechtfertigungen mit ein“ (22). Grundlegend für das NRP – gerechtfertigt mit der kolonialen Landnahme und Besiedlung – ist das Konzept der Affirmative Action. Damit ist keine Umverteilung von Reich zu Arm, sondern eine nachträgliche Besserstellung von vormals Diskriminierten vorgesehen, einzig orientiert am Maßstab der „Rassengerechtigkeit“. Thran arbeitet die damit verbundenen Konsequenzen und Widersprüche (etwa zum Gleichbehandlungsgrundsatz) heraus. „Unter Rassengerechtigkeit wird in Namibia […] ein demokratisches Repräsentationsverhältnis verstanden, mit dem keine absolute Ausgrenzung einer Gruppe verbunden ist. Stattdessen solle es ein ‚gesundes Verhältnis‘ der weiterhin als Rassen konstruierten Gruppen geben“ (162 f.). Indem somit Landbesitz ausschließlich als Rassenfrage problematisiert wird, wohnt der Reform selbst Rassismus inne und andere Fragen der Ungleichheit oder Differenzen innerhalb der schwarzen respektive weißen Bevölkerung bleiben ausgeblendet, so der Autor. Zudem spielt die Landfrage in Namibia – wie in allen ehemaligen Siedlerkolonien – eine besondere politische Rolle, die der Autor als Fetischisierung bezeichnet. „Als verdinglichte Souveränität wird Land zum Bestandteil einer nationalen Selbstbehauptungsstrategie“ (195) und für den Einzelnen ist Landbesitz mit einer „abstrakte[n] Glücksvorstellung“ (204) verbunden. Der Autor macht mit Landfetisch und Rassengerechtigkeit zwei ideologische, wenig zielführende Charakteristika der Landreform aus. Die praktischen Folgen dieser Ideologie werden in der Umsetzung des NRP deutlich, die sich Thran zufolge durch mangelnde Transparenz und eine klientelistische Politik auszeichnet, die weniger zur sozialen Gerechtigkeit, sondern zur Bildung einer neuen Elite beiträgt.
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Rubrizierung: 2.672.23 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Malte Thran: "Rassengerechtigkeit" und Fetischisierung von Land. Marburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39473-rassengerechtigkeit-und-fetischisierung-von-land_47464, veröffentlicht am 03.03.2016. Buch-Nr.: 47464 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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