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/ 18.06.2013
Clemens Jabloner / Brigitte Bailer-Galanda / Eva Blimlinger / Georg Graf / Robert Knight / Lorenz Mikoletzky / Bertrand Perz / Roman Sandgruber / Karl Stuhlpfarrer / Alice Teichova

Schlussbericht der Historikerkommission der Republik Österreich. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich. Zusammenfassungen und Einschätzungen

München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2003 (Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich 1); 517 S.; 29,80 €; ISBN 3-486-56744-6
Bis in die 80er-Jahre herrschte in der öffentlichen Meinung Österreichs die These vor, das Land sei ein Opfer des Nationalsozialismus gewesen. Vom Überfall 1938 bis zum Kriegsende 1945 habe es als Staat nicht existiert. „Die ‚Opferthese' wurde jedoch nicht nur außenpolitisch ins Treffen geführt, sondern gegen die tatsächlichen Opfer des Nationalsozialismus angewendet" (21), heißt es im Schlussbericht der Historikerkommission. „Darin lag ein bedenklicher Fehlschluss" (21), der innenpolitisch wie moralisch untragbar gewesen sei. Wie auch in Deutschland, in der Schweiz und in den USA setzte in den 90er-Jahren - auch vor dem Hintergrund der Sammelklagen in Amerika lebender Holocaust-Opfer - eine Diskussion über den Umgang mit den tatsächlichen Opfern des NS-Regimes ein. Dabei geriet vor allem die Frage, ob und in welchem Umfang diese Menschen entschädigt worden waren, in den Mittelpunkt des Interesses. In Österreich wurde deshalb 1998 eine Historikerkommission eingesetzt, die mit Unterstützung von Juristen „die ungeheure Dimension des nationalsozialistischen Vermögensentzugs" (453) sichtbar machte und untersuchte, ob und wann Entschädigungen geleistet oder Eigentum zurückgegeben worden war. Es liegen mittlerweile 54 Berichte aus 47 Forschungsprojekten und Gutachten vor. Dieser Band enthält die Zusammenfassung der Ergebnisse sowie die dazugehörigen Bewertungen und Einschätzungen der Historikerkommission. Deren Mitglieder verweisen ausdrücklich darauf, dass die Frage des Vermögensentzugs und der Entschädigung Jahrzehnte früher hätte geklärt werden müssen. Außerdem sei die „Perspektive einer Berechenbarkeit von historischen Werten" (61) unhaltbar. Als allgemeines Fazit sei dennoch festzuhalten, dass der Vorwurf, die Republik Österreich habe nichts unternommen, um Vermögenswerte zu restituieren, zwar falsch sei. „Wahr ist aber auch, dass Maßnahmen zur Rückstellung und Entschädigung oft nur halbherzig und teilweise recht zögerlich" (24) getroffen wurden.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.4 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Clemens Jabloner / Brigitte Bailer-Galanda / Eva Blimlinger / Georg Graf / Robert Knight / Lorenz Mikoletzky / Bertrand Perz / Roman Sandgruber / Karl Stuhlpfarrer / Alice Teichova: Schlussbericht der Historikerkommission der Republik Österreich. München: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/20144-schlussbericht-der-historikerkommission-der-republik-oesterreich_23468, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 23468 Rezension drucken
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