Diss. Berlin; Erstgutachter: M. Liebel. - Die Autorin untersucht Selbstverständnis, Motivation, Charakteristika und Praxis der bundesdeutschen Nicaragua-Solidaritätsbewegung in der Zeit von 1979 bis 1989. Einen besonderen Stellenwert nimmt die Analyse der Einstellung der Solidaritätsbewegung zur Entwicklungshilfe ein. Wenngleich sich die Solidaritätsbewegung verbal vom Begriff der Entwicklungshilfe abgrenzte und ihre Aufgabe als politische Arbeit zur Unterstützung der Revolution verstand, unterschied sich ihre Projektpraxis (materielle und humanitäre Hilfeleistungen) im wesentlichen nicht von der Unterstützung staatlicher und nichtstaatlicher Entwicklungshilfeorganisationen. Doch "[w]orin liegt der Unterschied zwischen einer Schule oder Latrine, die von christlichen HelferInnen in Indien und von einer, die von Brigaden mit antiimperialistischem Anpruch in Nicaragua gebaut wurde" (16)? Kernstück der Arbeit bildet eine umfangreiche Befragung der nicaraguanischen Bevölkerung zu ihrer Wahrnehmung der Motive und Projektarbeit der Solidaritätsbewegung. Im Ergebnis zeigt sich, daß Anspruch und Wirklichkeit stark voneinander abweichen und die politische Motivation der Solidaritätsbewegung nur unzureichend vermittelt werden konnte, was die Autorin mit der mangelnden Selbstreflexion der Solidaritätsbewegung begründet. "Identifikation, Projektion, Emotionalität und die Möglichkeit der persönlichen Beteiligung am Aufbau einer konkreten Utopie waren einerseits Motor der Nicaragua-Solidarität. Gleichzeitig verhinderten diese Eigenschaften aber andererseits weitgehend die Reflexion und die realitätsgerechte Wahrnehmung der eigenen Praxis." (309) Die Autorin hat den anspruchsvollen Versuch unternommen, einen "nachholenden Lernprozeß" (313) vorzunehmen und damit auch Bilanz ihrer eigenen neunjährigen Tätigkeit in Nicaragua zu ziehen mit dem Ziel, zu einem bewußten und selbstkritischen Handeln beizutragen. Er ist ihr auf eindrucksvolle Weise gelungen.