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/ 22.06.2013
Sandra Innerwinkler

Sprachliche Innovation im politischen Diskurs. Eine Analyse ausgewählter Beispiele aus dem politischen Diskurs zwischen 2000 und 2006 in Österreich

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2010 (Europäische Hochschulschriften: Reihe I, Deutsche Sprache und Literatur 1998); 239 S.; 42,80 €; ISBN 978-3-631-60084-9
German. Diss. Klagenfurt; Gutachter: A. Brandstetter, H. Gröchenig. – Die Begriffe Nulldefizit, soziale Treffsicherheit, Hump und Tortung gehören zu dem Vokabular, das dem politischen Diskurs der von 2000 bis 2006 in Österreich regierenden ÖVP-FPÖ/BZÖ-Koalition eine eigene Prägung gab. Die Regierung habe den Slogan „Österreich neu regieren“ propagiert und ständig versichert, dass „eine politische Wende stattgefunden habe“ (214), schreibt Innerwinkler in dieser Arbeit, die an der Schnittstelle zwischen Linguistik und Politikwissenschaft („Politolinguistik“, 13) angesiedelt ist. Flankiert worden seien diese Verlautbarungen mit Begriffen, die entweder neu erfunden oder durch vielfache Verwendung bekannt gemacht worden seien. Sechs von ihnen werden in Zeitungsartikeln, Pressemitteilungen und Leserbriefen erfasst und in ihrer Aussagewirkung untersucht. Dabei zeigt sich, dass die Begriffe unterschiedliche Funktionen im Diskurs erfüllten. So wurde unter dem Schlagwort „Nulldefizit“ (119) aus der Absichtserklärung, keine neuen Staatsschulden aufzunehmen, eine „Werbekampagne“ zugunsten der Regierung inszeniert. Die „soziale Treffsicherheit“ (134) gehörte „von Anfang an zum Konzept der ÖVP-FPÖ-Regierung“ (135) und diente als euphemistisches Schlagwort der Vermittlung des Eindrucks, der Sozialstaat werde nicht etwa abgebaut, sondern durch eine bessere Verteilung von Leistungen gesichert. Mit „Hacklerregelung“ (159) wurde ein Verfahren zur Frühpensionierung bei langer Versicherungsdauer umschrieben. Weniger um die Vermittlung einer konkreten Politik ging es bei der Wortneuschöpfung „Hump“ (145). Ein FPÖ-Politiker hatte den Bundespräsidenten als Lump bezeichnet und dies mit einer „beschönigende[n] Parallelbildung“ (145) anschließend zu kaschieren versucht. Jörg Haider, ebenfalls FPÖ, schmähte außerdem den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac als „Westentaschen-Napoleon“ (178). Der sechste untersuchte Begriff ist die – mittlerweile wieder in Vergessenheit geratene – „Tortung“ (151). Populär wurde diese Lehnübersetzung aus dem Englischen („pieing“, 152), als einem FPÖ-Politiker 2000 vor laufender Kamera eine Torte ins Gesicht gedrückt wurde. Die Autorin kommentiert diese Begriffe insgesamt nicht und überlässt es dem Leser, Schlüsse auf die Verfasstheit der damaligen Regierung zu ziehen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.42.222.24 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Sandra Innerwinkler: Sprachliche Innovation im politischen Diskurs. Frankfurt a. M. u. a.: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/32880-sprachliche-innovation-im-politischen-diskurs_39275, veröffentlicht am 22.12.2010. Buch-Nr.: 39275 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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