/ 18.06.2013
Thomas Köhler / Christian Mertens / Michael Spindelegger (Hrsg.)
Stromaufwärts. Christdemokratie in der Postmoderne des 21. Jahrhunderts
Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag 2003; 401 S.; geb., 35,- €; ISBN 3-205-77112-5Für die Gliederung der zahlreichen Beiträge haben die Herausgeber die Metapher eines großen Stromes gewählt. Ausgehend vom großen Meer der internationalen Politik, in das der Strom mündet, über die verschiedenen Politikfelder mit ihren Stromschnellen wird stromaufwärts zu den Quellen christdemokratischer Politik gerudert. Eine schöne Idee, die Lust zum Lesen macht; doch das Rudern stromaufwärts verliert sich im esoterischen Nirgendwo. Die Herausgeber und zahlreiche der Autoren eint der Wille zu einem postmodernen Kahlschlag, der die eigentlichen Quellen des Stromes zum Versiegen bringt und an deren Stelle allerlei dilettantische Probebohrungen setzt. Besonders auffällig ist, dass Dämme ausgerechnet gegen die katholische Kirche errichtet werden, von der sich eine moderne Christdemokratie abzugrenzen habe. Für den Herausgeber Köhler ist eine „aufgeschlossene Christdemokratie nicht mehr konfessionell gebunden, sondern religiös inspiriert" (12). Dafür möchte man sich aus dem jüdischen, christlichen und islamischen Erbe je nach Bedarf bedienen. Das Buch kann als eine Übertragung des Küngschen Weltethos auf die politische Programmatik verstanden werden. Die „positiven Energien der Weltreligionen" sollen, lösgelöst von ihren institutionellen Erscheinungsformen in Raum und Zeit, für eine „kluge Weltpolitik" (58) genutzt werden. Christdemokratie sorge für den Dialog und stifte Harmonie, meint Lukas Mandl, Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Volkspartei. Wer das als unpolitische Schwärmerei abtut, kann in weiteren Beiträgen die Konsequenzen dieses „grundsätzlichen Paradigmenwechsels" nachlesen. Beispielsweise solle man Abschied nehmen „von der weltanschaulich eingefärbten Position, daß bereits die Zugehörigkeit zur Gattung Mensch" (153) seine Würde begründe. Peter Kampits, Professor für Philosophie in Wien und Koordinator eines Zukunftsmanifestes der ÖVP, schlägt stattdessen eine „ständig im öffentlichen Diskurs lebendig gehaltene Differentialethik" vor. Die „Herkunft des Pluralen" geht mit dem „Abschied im Prinzipiellen" (147) einher. Es ist das Konzept des immerwährenden Gesprächs, in dessen Kulissen schwerwiegende Entscheidungen unbeobachtet durchgewunken werden.
Henry Krause (HK)
Dipl.-Politologe, Referatsleiter, Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Dresden.
Rubrizierung: 2.22 | 2.4 | 3.1 | 2.23 | 2.27
Empfohlene Zitierweise: Henry Krause, Rezension zu: Thomas Köhler / Christian Mertens / Michael Spindelegger (Hrsg.): Stromaufwärts. Wien/Köln/Weimar: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/19791-stromaufwaerts_23033, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 23033
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Dipl.-Politologe, Referatsleiter, Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Dresden.
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