Zum 20. Jahrestag der Waldheim-Affäre, die im Jahr 1986 mit der Aufdeckung der NS-Vergangenheit des damaligen Präsidentschaftskandidaten und früheren UN-Generalsekretärs Kurt Waldheim entbrannte, präsentieren die Journalistin Tóth und der Verleger Czernin ein „Lesebuch des Falls Waldheim“: Anhand von 14 Texten der wichtigsten Akteure und Zeitzeugen von damals – darunter namhafte Historiker und Politikwissenschaftler – werden die wichtigsten Stationen der Affäre rekapituliert. Außerdem wird gezeigt, wie sich das Bild Österreichs in der Welt veränderte und welche innenpolitischen Auswirkungen die Affäre hatte. Der Fall Waldheim habe sich von früheren Auseinandersetzungen um die österreichische Verwicklung in den Nationalsozialismus zum einen durch eine breitere und emotionalere Debatte in der Bevölkerung unterschieden, schreibt Cerznin in seiner Einführung. Zudem sei ein Generationenkonflikt sichtbar geworden: „Auf der einen Seite erstand eine Jugendbewegung, getragen von den damals noch nicht ganz 40-jährigen 68ern, auf der anderen Seite formierte sich die Generation der damaligen Wehrmachtssoldaten, die, getrieben von der politischen Propaganda, sich plötzlich mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert sah.“ (19) Zudem stelle sich die Frage, ob der Aufstieg Jörg Haiders ohne die vorangegangenen Auseinandersetzungen um Waldheim so möglich gewesen wäre. In jedem Fall wirkten die Auseinandersetzungen bis heute nach, sodass das Jahr 1986 als ein „innenpolitisches Schlüsseljahr für Österreich“ bezeichnet werden könne. Ohne die Affäre „hätte es das ‚andere Österreich’, das im Jahr 1993 mit dem Lichtermeer und im Wendejahr 2000 mit den Donnerstagsdemos öffentlich wurde, nicht gegeben.“ Der Mythos vom kleinen Österreich, „das erstes Opfer Hitlers wurde und durch den Wiederaufbau seine Kriegsschuld abarbeitete“ (11), sei nach 1986 nicht mehr haltbar gewesen, so die Herausgeber.