/ 11.06.2013
Klaus Bittermann / Thomas Deichmann (Hrsg.)
Wie Dr. Joseph Fischer lernte, die Bombe zu lieben. Die SPD, die Grünen, die Nato und der Krieg auf dem Balkan
Berlin: Edition Tiamat 1999 (Critica Diabolis 86); 207 S.; pb., 26,- DM; ISBN 3-89320-025-8Der Kosovo-Krieg ist vorbei und längst haben andere Themen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gelenkt. Die große Diskussion über die Richtung der bundesdeutschen Außen- und Sicherheitspolitik ist weitgehend ausgeblieben. Wenn dieses Buch auch nur im entferntesten dazu gedacht wäre, diesen bedauerlichen Zustand zu verändern (wofür rein gar nichts spricht), so hätte es sein Ziel gründlich verfehlt. Eine Vielzahl von Autoren schreibt sich in teils wilden Polemiken den Ärger über die rot-grüne Balkan-Politik von der Seele. Von serbischer Unterdrückung, serbischen Mord- und Brandaktionen ist kaum die Rede. Um so mehr liest man von angeblich kriegstreiberischen Deutschen, kriegslüsternen Amerikanern und dem Imperialismus der Marktwirtschaft. Wiglaf Droste gefällt sich in zwei doppelseitigen, von billigen persönlichen Verunglimpfungen und Beleidigungen nur so triefenden Ausfällen (von den Herausgebern an den Anfang und das Ende des Buches plaziert) darin, Bundeskanzler Schröder als hohlköpfigen, "aggressiven Parvenü" (9), seine Wähler als kritiklose Deppen und die Bundeswehrsoldaten als "Zinksargfüllmasse" (10) darzustellen. In der ganzen hochfahrenden Entrüstung - die dem in vielen Beiträgen kritisierten moralischen Overkill Scharpings und Fischers in nichts nachsteht - und der tiefen Enttäuschung der fast durchweg linken Autoren über Rot-Grün gehen durchaus ernstzunehmende Fragen nach dem Zusammenhang von Medienberichten und Politik und den Alternativen zum eingeschlagenen Weg völlig unter. Ruhigere, wenngleich sehr kritische Stimmen wie die von Czempiel sind kaum noch wahrzunehmen.
Aus dem Inhalt: Kjell Magnusson: Wie der Kosovo-Konflikt begann (17-25); Horst Pankow: Gestank, Chaos, Grauen. Die blutige Spur des Erich Rathfelder (26-30); David Chandler: Vom Demokratie-Schwindel in Dayton zur Demokratie-Abschaffung in Rambouillet (38-51); Diana Johnstone: Das Racak-Massaker als Auslöser des Krieges (52-68); Jan Øberg: Kanonenboot-Diplomatie in Rambouillet (69-76); Wolfgang Michal: Orientalische Fragen. Deutschlands Rolle im Kosovo-Krieg (77-84); Ernst Lohoff: Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Ideologie und Realität der One World (85-93); Ernst-Otto Czempiel: Die NATO als Weltpolizist (94-97); Erich Schmidt-Eenboom: Kosovo-Krieg und Interesse. Einseitige Anmerkungen zur Geopolitik (98-113); Noam Chomsky: Krieg auf dem Balkan. Die USA und das Völkerrecht (114-120); Mira Beham: Chronik eines angeordneten Verbrechens (121-132); Christian Y. Schmidt: Die Grünen, die NATO und der Krieg (133-154); Kay Sokolowsky: Totale: Krieg. Das Fernsehen und sein Bomben-Bankrott (160-168); Georg Seeßlen: Kriegsnovelle oder: Wie eine Erzählgemeinschaft für einen moralischen Krieg erzeugt wird (169-184); Sabine Reul: "Wir sind bereit!" Vom Aufbruch in Bonn zum Aufbruch auf den Balkan (185-193); Klaus Bittermann: Krieg und Moral. Die Kriegsregierung und ihre intellektuellen Bodentruppen (197-203).
Walter Rösch (WR)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 4.21 | 4.41
Empfohlene Zitierweise: Walter Rösch, Rezension zu: Klaus Bittermann / Thomas Deichmann (Hrsg.): Wie Dr. Joseph Fischer lernte, die Bombe zu lieben. Berlin: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/10553-wie-dr-joseph-fischer-lernte-die-bombe-zu-lieben_12477, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 12477
Rezension drucken
M. A., Politikwissenschaftler.
CC-BY-NC-SA