/ 20.02.2014
Lisa Maria Stadlmayr
Wiedergutmachung bei Menschenrechtsverletzungen. Die Umsetzung völkerrechtlicher Wiedergutmachungspflichten in Österreich
Wien/Graz: Neuer Wissenschaftlicher Verlag 2013 (Studienreihe des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte 27); 483 S.; 54,80 €; ISBN 978-3-7083-0917-0Rechtswiss. Diss. Wien; Begutachtung: M. Nowak, A. Kletecka. – Die Sicherung völkerrechtlich garantierter Menschenrechte beziehungsweise die Wiedergutmachung bei Menschenrechtsverletzungen liegt primär in nationalstaatlicher Verantwortung. Doch welche Rechte stehen Opfern von Menschenrechtsverletzungen im konkreten Fall zu? Von dieser Frage ausgehend unternimmt die Autorin eine Analyse der Umsetzung des Menschenrechtsschutzes in Österreich. Im ersten Teil erfolgt eine ausführliche Darlegung völkerrechtlicher Pflichten eines Staates zur Gewährung von Rechtsbehelfen und zur Wiedergutmachung. Diesen Rechts‑ und Pflichtenrahmen kontrastiert Lisa Maria Stadlmayr dann im zweiten Teil mit der österreichischen Rechtsordnung, die sie ausführlich und differenziert nach gerichtlichen, behördlichen und gesetzgeberischen Regelungen und Eingriffsmöglichkeiten erörtert. Während die Europäische Menschenrechtskonvention in Österreich Verfassungsrang genießt, wurden wichtige VN‑Menschenrechtsverträge nur einfachgesetzlich genehmigt und sind damit nicht unmittelbar anwendbar. Stadlmayr hält fest, dass Österreich mit seiner zurückhaltenden Ratifizierungspraxis im internationalen Vergleich „eindeutig in der Minderheit“ (145) ist. Im dritten Teil geht es um die konkrete Umsetzung von Entscheidungen internationaler Vertragskontrollorgane wie die Urteile des EMRG oder die sogenannten Views von VN‑Ausschüssen. Mit ihrer differenzierten und anhand konkreter Einzelfälle untermauerten Analyse kann die Autorin in vielen Bereichen strukturelle Defizite ausmachen. Dazu zählen beispielsweise Schwächen im Amtshaftungsrecht oder das Fehlen von beschleunigenden Rechtsbehelfen bei langen Verfahrensdauern und von Wiederaufnahmemöglichkeiten von Verwaltungsstrafverfahren sowie die mangelnde Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes zur Überprüfung gesetzgeberischen Unterlassens. Insgesamt kommt die Autorin zu einem zwiespältigen Ergebnis: Österreich ist bei generellen Maßnahmen gegen Konventionsverletzungen durchaus aktiv, soweit es sich nicht um politisch sensible Themen handelt; wenig Bereitschaft liegt hingegen bei der Umsetzung von EGMR‑Urteilen für individuelle Wiedergutmachungsmaßnahmen vor. Und auch „bei der Umsetzung der Views [hat Österreich sich] nicht in die Reihe jener Länder eingeordnet, deren Praxis Vorbildfunktion für andere Staaten haben könnte“ (400) – weshalb die Alpenrepublik wiederholt in der internationalen Kritik steht. Vorschläge zur Behebung der strukturellen Unzulänglichkeiten runden die Arbeit ab.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.4 | 4.42 | 2.21 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Lisa Maria Stadlmayr: Wiedergutmachung bei Menschenrechtsverletzungen. Wien/Graz: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36761-wiedergutmachung-bei-menschenrechtsverletzungen_44859, veröffentlicht am 20.02.2014. Buch-Nr.: 44859 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenDipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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