Ohne den Vergleich mit bzw. die Kritik an dem bisherigen Standardwerk der Adenauer-Forschung von Hans-Peter Schwarz ist eine Biographie des ersten Kanzlers der Bundesrepublik Deutschland kaum denkbar. Köhler verweist daher häufig auf Schwarz, bleibt aber nicht an einer bloßen Auseinandersetzung mit ihm stehen. Adenauer wird bei Köhler zu einem vielschichtigen Politiker, der schon seit seiner Zeit als Oberbürgermeister von Köln politische Linien entwickelt, die sich später während der Kanzlerschaft ausprägen. Für Köhler hat Adenauer immer an der Wiedervereinigung gearbeitet, obwohl der Kanzler spätestens Ende der fünfziger Jahre feststellen mußte, daß sie nur langfristig zu haben war. Im Zusammenhang mit der Westintegration war die Forderung nach der deutschen Wiedervereinigung für Adenauer demnach keine bloße Rhetorik, obwohl er sie vor allem gegenüber den USA als Druckmittel einsetzte. Frei von Widersprüchen war Adenauer jedoch nicht. Dies zeigt sich zum Beispiel an seinen Gedanken über einen rheinischen Staat, die immer dann auftauchten, wenn die politische Gesamtlage sie als Alternative erscheinen ließen, so nach 1918 und wieder nach 1945. Dabei war Adenauer keineswegs nur halbherzig national gesinnt. Köhler zeigt sich skeptisch gegenüber der Legendenbildung, die schon durch Adenauer selbst in Gang gesetzt worden ist, und dadurch gelingt ihm eine ausgewogene und lesbare Darstellung, die ein wenig die Patina vom Adenauer-Monument abkratzt.