Die (deutschen) Debatten zur Sozialstrukturanalyse lassen sich seit Ende der 80er-Jahre grob zwei unterschiedlichen Positionen zuordnen. Auf der einen Seite wird nach wie vor ein enger Zusammenhang zwischen "objektiven", letztlich über die Stellung im Produktionsprozess vermittelten Ungleichheiten und "subjektiven" Handlungsorientierungen angenommen ("Homogenitätsparadigma"). Auf der anderen Seite stehen dagegen - unter der These einer zunehmenden Individualisierung von Lebenslagen - Tendenzen der Entkopplung von Sozialstrukturen und Handlungsebenen im Zentrum und dementsprechend werden herkömmliche Modelle vertikaler Ungleichheit relativiert ("Differenzierungsparadigma"). In diese Diskussionslage ist durch den Umstand Bewegung gekommen, "dass (West-)Deutschland nach dem ersten Kontinuitätsbruch in den 60er und 70er Jahren [...] in den 90er Jahren einen zweiten Kontinuitätsbruch erlebt, der nicht allein Folge der deutschen Vereinigung, sondern auch eine Konsequenz forcierter Globalisierungstendenzen ist" (24). Vor diesem Hintergrund versucht der Band eine Zwischenbilanz zu leisten, die neben einer Präzisierung theoretischer Ansätze zur Interpretation einer "Klassengesellschaft ohne Klassen" (31 ff.) sich auch um die Analyse aktueller Tendenzen bemüht. Dazu zählen ebenso Fragen nach Ausmaß und Gestalt "neuer" sozialer Ungleichheiten (333 ff.) wie solche hinsichtlich der Rolle, die Alltagspraktiken und Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Milieus bei der Verfestigung dieser Ungleichheiten spielen (171 ff.). Die Beiträge beruhen auf zwei Tagungen der Sektion "Soziale Ungleichheit und Sozialstrukturanalyse" der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Hannover und in Rostock. Inhalt: Einleitung: Peter A. Berger / Michael Vester: Alte Ungleichheiten. Neue Spaltungen (9-28). Klassengesellschaft ohne Klassen?: Reinhard Kreckel: Klassentheorie am Ende der Klassengesellschaft (31-47); Jens Dangschat: Klassenstrukturen im Nach-Fordismus (49-87); Ditmar Brock: Individualisierung und die Zugänglichkeit von Ressourcen (89-107); Michael Vester: Klassengesellschaft ohne Klassen. Auflösung oder Transformation der industriegesellschaftlichen Sozialstruktur (109-147); Michael Hofmann / Dieter Rink: Das Problem der Mitte. Mittelstands- und Mittelschichtentwicklung im Osten Deutschlands (149-168). Zur Reproduktion sozialer Macht und sozialer Ungleichheit: Michael Hartmann: Homogenität und Stabilität. Die soziale Rekrutierung der deutschen Wirtschaftselite im europäischen Vergleich (171-187); Anton Sterbling: Zur Wirkung unsichtbarer Hebel. Überlegungen zur Rolle des "sozialen Kapitals" in fortgeschrittenen westlichen Gesellschaften (189-209); Andreas Klocke: Reproduktion sozialer Ungleichheit in der Generationenfolge (211-229); Jürgen Mansel / Christian Palentien: Vererbung von Statuspositionen. Eine Legende aus vergangenen Zeiten? (231-253). Subjektbezogene Ungleichheiten: Lebensstile und Mentalitätstypen: Götz Lechner: Ist die Erlebnisgesellschaft in Chemnitz angekommen? (257-274); Thomas Müller Schneider: Subjektbezogene Ungleichheit. Ein Paradigma zur Sozialstrukturanalyse postindustrieller Gesellschaften (275-296); Angelika Poferl: "Wer viel konsumiert, ist reich. Wer nicht konsumiert, ist arm." Ökologische Risikoerfahrung, soziale Ungleichheiten und kulturelle Politik (297-329). Die "Überflüssigen": Neue Spaltungen und Konfliktlinien: Martin Kronauer / Berthold Vogel: Spaltet Arbeitslosigkeit die Gesellschaft? (333-350); Karen Körber: Ethnizität und Wohlfahrtsstaat (351-362); Heinz Bude: Die Überflüssigen als transversale Kategorie (363-382).