Politikwiss. Diss. München; Gutachter: E. Adler, W. Triebel. - Auf Basis neuerschlossener Archivmaterialien vermittelt Jodl ein vielschichtiges Bild des Politikers Grotewohl. Den Schwerpunkt der Darstellung stellt der Zeitraum zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der DDR dar. Grotewohls damaliges Eintreten für die Einheit der deutschen Arbeiterbewegung wird im direkten Zusammenhang mit dessen persönlichen Erfahrungen aus der Weimarer Republik interpretiert. Nachdem er 1921 kurze Zeit Volksbildungsminister war, 1925 als SPD-Abgeordneter in den Reichstag einzog und 1928 zum Präsidenten der Landesversicherungsanstalt Braunschweig ernannt wurde, verlor er mit der Machtübernahme der NSDAP seine Ämter. Vor diesem Hintergrund urteilt Jodl abschließend: "Grotewohls eigentliches Versagen bestand [...] nicht, wie landläufig behauptet wird, darin, die Ost-SPD nicht vor dem Experiment SED bewahrt zu haben." (250) Eine derartige Sichtweise würde die SED nicht aus der Perspektive der handelnden politischen Akteure bewerten, sondern von ihrem Ergebnis her. Vielmehr wird Grotewohls Versagen darin gesehen, daß dieser im Sommer 1948 nicht die Kraft besaß, der Öffentlichkeit einzugestehen, daß die Sozialdemokraten bei der Vereinigung mit den Kommunisten ihre Positionen nicht umsetzen konnten. Indem er bereit war, auch in der neugegründeten Partei zentrale Ämter zu übernehmen, bot er den ehemaligen SPD-Mitgliedern eine Identifikationsfigur, ohne aber deren Interessen umzusetzen zu können. "Angesichts der Entwicklung, die der zweite deutsche Staat noch zu seinen Lebzeiten nahm, kann man sein historisches Versagen auch in der Funktion des Ministerpräsidenten nicht leugnen." (251)