/ 22.06.2013
Claude Lévi-Strauss
Anthropologie in der modernen Welt. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2012; 148 S.; geb., 22,95 €; ISBN 978-3-518-58576-4Im Jahr 1986 begab sich Claude Lévi-Strauss, der Begründer der strukturalen Anthropologie, für eine Vortragsreihe nach Japan. Sie war der Frage gewidmet, welche Perspektive die Anthropologie auf die grundlegenden Probleme der heutigen Menschheit werfen und welchen möglichen Beitrag sie zu deren Lösung beisteuern kann. Die drei Vorträge dieser Reihe sind nun in diesem Band posthum veröffentlicht. Ausgangspunkt ist eine kritische Bestandsaufnahme des Zustandes der modernen westlichen Industriegesellschaften. Deren Fortschrittsoptimismus habe sich erschöpft, sie steckten angesichts totalitärer Ideologien, Völkermorde, der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und des einseitig auf Produktivitätszuwachs und Zweckrationalität ausgerichteten ökonomischen Denkens in der Krise. „Sobald die Zivilisation westlichen Typs auf ihrem eigenen Boden nichts mehr findet, um sich regenerieren zu können und einen neuen Aufschwung zu nehmen, könnte sie dann vielleicht etwas über den Menschen im allgemeinen und über sich selbst im besonderen von jenen bescheidenen und lange verachteten Gesellschaften lernen, die noch bis vor kurzem ihrem Einfluß entgangen waren?“ (15) Es sind die gemeinhin als „primitiv“ bezeichneten Gesellschaften, die ohne Schrift und weitgehend ohne mechanische Mittel leben, von denen die westliche Zivilisation lernen könne, „dass ihre Gewohnheiten und Zwänge nicht in der natürlichen Ordnung der Dinge begründet“ (72) liegen. Das sei möglich, weil trotz aller Betonung des „kulturellen Relativismus“ (137 f.) ein gemeinsamer struktureller menschlicher Rahmen zum Vorschein komme. Dass die Art, wie „primitive“ Gesellschaftsformen diesen gemeinsamen strukturellen Rahmen leben, Lernpotenziale für westliche Gesellschaften birgt, versucht Lévi-Strauss insbesondere im zweiten Vortrag anhand der virulenten Probleme moderner Fortpflanzungsmedizin, des kapitalistischen ökonomischen Denkens und der Religion zu zeigen. Allerdings bleibt der von ihm anvisierte „dritte Weg“ (90) zwischen primitiven und westlichen Gesellschaften eher vage – dessen ungeachtet bietet der Band einen leicht zugänglichen Einstieg in die Grund/index.php?option=com_content&view=article&id=41317 und -motive des Denkens Lévi-Strauss‘.
Nikolai Münch (NM)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Forschungszentrum Laboratorium Aufklärung, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.42
Empfohlene Zitierweise: Nikolai Münch, Rezension zu: Claude Lévi-Strauss: Anthropologie in der modernen Welt. Frankfurt a. M.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/35472-anthropologie-in-der-modernen-welt_42772, veröffentlicht am 27.09.2012.
Buch-Nr.: 42772
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M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Forschungszentrum Laboratorium Aufklärung, Universität Jena.
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