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/ 28.05.2014
Bernhard C. Schär / Béatrice Ziegler (Hrsg.)

Antiziganismus in der Schweiz und in Europa. Geschichte, Kontinuitäten und Reflexionen

Zürich: Chronos Verlag 2014; 175 S.; brosch., 31,- €; ISBN 978-3-0340-1220-1
Das Thema Antiziganismus in der deutschsprachigen Sozialwissenschaft als randständig einzustufen, ist zweifelsohne euphemistisch. Dabei sind die konkreten Probleme, wie dieser Band zeigt, mit denen sich Roma, Sinti und andere Gruppen in Europa konfrontiert sehen, vielfältig – angefangen von einer tendenziellen Zunahme von öffentlichen Ressentiments gegenüber Minderheiten über das Stocken der eigenen politischen Bewegung, schlechte Gesundheitsversorgung, hohe Kindersterblichkeit bis hin zu einem unterdurchschnittlichen Zugang zu Bildung und Arbeit. Roma, Sinti und andere Gruppen sind dabei häufig mit einer strukturellen wie kulturellen Stigmatisierung konfrontiert. Hier setzt der Begriff des Antiziganismus an: Dieser stelle, „ähnlich wie der Antisemitismus, eine Form des Rassismus [dar], der sich gegen Minderheiten richte[.], die anhand von religiösen, kulturellen oder biologischen Kriterien als ‚Fremde’ identifiziert werden“ (10). Welche Konsequenzen sich aus dieser strukturellen Fremdheit, die sich in einer permanenten Ausschließung aus der Mehrheitsgesellschaft manifestiert, erwachsen, wird in diesem Band beleuchtet. Ein anschauliches Beispiel für die Folgen ist im Beitrag von Markus End über die Presseberichterstattung über das gemeinsame Auftreten der Occupy‑Bewegung in Frankfurt 2012 mit einer Gruppe der Roma nachzulesen. Relativ unwillkürlich sei dieses Zusammentreffen nicht etwa in die Richtung eines überaus wünschenswerten, möglichst diversifizierten politischen Engagements gedeutet worden, sondern habe in der Berichterstattung unter dem Motto „das Occupy‑Camp verkommt langsam“ (104) gestanden. Der Autor veranschaulicht so, wie allein über das Hinzutreten dieser ethnischen Gruppe der Protest als anrüchig dargestellt, wenn nicht sogar insgesamt diskreditiert werden konnte. Beunruhigend ist, dass dies darauf verweist, wie tief die Vorurteile und Ressentiments tatsächlich sein müssen, damit narrative Automatismen – wie eben Roma gleich schmutzig – so beeindruckend nachhaltig zu wirken vermögen.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.232.52.3122.42.3332.612.25 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Bernhard C. Schär / Béatrice Ziegler (Hrsg.): Antiziganismus in der Schweiz und in Europa. Zürich: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37128-antiziganismus-in-der-schweiz-und-in-europa_45307, veröffentlicht am 28.05.2014. Buch-Nr.: 45307 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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