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/ 05.06.2013
Edelbert Richter

Aus ostdeutscher Sicht. Wider den neoliberalen Zeitgeist

Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 1998; VIII, 215 S.; brosch., 29,80 DM; ISBN 3-412-07498-5
Der Band analysiert politische und wirtschaftliche Entscheidungen und Wegmarken der deutsch-deutschen Wiedervereinigung und möchte eine Debatte anstoßen, die sich mit den Möglichkeiten ost- und gesamtdeutscher Wirtschaft auseinandersetzt. Im ersten Teil wird die Auffassung in Frage gestellt, die DDR habe zur Zeit der Wende praktisch kein Produktivvermögen besessen: Die Tatsache, daß heute "nur etwa 26-29 % des Produktivkapitals in Ostdeutschland [...] auch in ostdeutschen Händen [liegt]" (8) wird vom Autor auf falsche politische Entscheidungen im Zusammenhang mit der Veräußerung des Volkseigentums zurückgeführt und zugleich als das Problem der Angleichung von Ost und West identifiziert. Daß nicht nur das Produktivvermögen, sondern auch das geistige Potential in Form von technischem und industriellen Know-how, den Marktgesetzen unterlag war ebenfalls nicht allein Folge der mangelnden Konkurrenzfähigkeit der ostdeutschen Technologien. Eine fragwürdige Förderpolitik und der blinde Glaube an eine liberalistische Marktsteuerung verhinderten das Überleben und die Realisierung vieler interessanter Entwicklungen, die teilweise dem westlichen Standard überlegen waren. Im dritten Teil setzt sich Richter kritisch mit der neoliberalen Ideologie auseinander, wobei er Fukuyamas These vom Ende der Geschichte vehement widerspricht: In den neoliberalen Argumentationen sieht er Parallelen zu leninistischen Überzeugungen, was Aspekte wie "Wissenschaftlichkeit", "Basis-Überbau", "objektive Gesetzmäßigkeiten" oder die Idee des "Neuen Menschen" anbelangt. Der Autor, Mitbegründer des "demokratischen Aufbruchs" und SPD-MdB, bietet mit dem Buch eine interessante und notwendige Perspektive der deutsch-deutschen Wiedervereinigung und ihrer Folgen in der jetzigen Bundesrepublik. Inhaltsübersicht: I. Zur Ostdeutschen Wirtschaft: 1. Wie die Ostdeutschen ihr Produktivvermögen weitgehend verloren haben; 2. Die offene Vermögensfrage: Produktivvermögen für Ostdeutschland. II. Zu Forschung und Entwicklung in Ostdeutschland: 1. Das Elend der deutschen Förderphilosophie; 2. Innovationen aus den neuen Bundesländern und ihre Schicksale. III. Globale Perspektiven: 1. Warum ist die Revolution von 1989 noch nicht zu Ende?; 2. Dasselbe, nur umgekehrt. Neoliberalismus und Leninismus; 3. Mythos Weltmarkt - Zwänge und Handlungsmöglichkeiten (Thesen).
Carsten Ungewitter (CU)
Rubrizierung: 2.3422.3132.35.432.22 Empfohlene Zitierweise: Carsten Ungewitter, Rezension zu: Edelbert Richter: Aus ostdeutscher Sicht. Köln/Weimar/Wien: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/6722-aus-ostdeutscher-sicht_9056, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 9056 Rezension drucken
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