/ 16.07.2015
Marcus Beyer
Außenpolitische Deutungsverwaltung im SED-Regime. Das Institut für Internationale Beziehungen der DDR
Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2015; 274 S.; geb., 51,95 €; ISBN 978-3-631-65542-9Politikwiss. Diss. Erfurt. – Das Institut für Internationale Beziehungen der DDR (IIB) wurde 1963 gegründet und sollte im Bereich Außenpolitik, Völkerrecht und Regionalwissenschaften forschen sowie die Aus‑ und Weiterbildung für Diplomaten und anderes außenpolitisches Personal übernehmen. Marcus Beyer stellt fest, dass die Autoren der wenigen bisher erschienenen Publikationen über das IIB dieses sehr unterschiedlich beurteilen. Demnach kritisieren externe Forscher die Lehre als stark ideologisch dominiert und messen der Einrichtung eine wichtige Funktion im SED‑Propaganda‑Apparat zu. Ehemalige Mitarbeiter oder Studenten des IIB heben dagegen die fachliche Ausbildung und die durchaus realitätsbezogene Forschung hervor. Beyer schließt sich den kritischen Stimmen an, denn seine Untersuchung ergibt, „dass sich die so genannte außenpolitische Forschung im Wesentlichen auf Deutungsverwaltung beschränkte“ (251). Die Wissenschaftler hatten nach Erkenntnissen von Beyer hauptsächlich die Aufgabe, die vorherrschende Deutung internationaler Prozesse aus Sicht des SED‑Regimes durch eine passende pseudo‑wissenschaftliche Analyse zu bestätigen. Dadurch leisteten sie einen wesentlichen Beitrag zur Immunisierung der parteioffiziellen Weltsicht gegen Kritik. Strenge Vorgaben, Kontrollen und die Angst vor Denunziation sorgten dafür, dass die Forscher selten ein von der Parteilinie abweichendes Verhalten wagten. Verstießen Mitarbeiter gegen die Vorgaben, indem sie unerwünschte Forschungsergebnisse oder Einschätzungen publizieren wollten, wurde die Arbeit der Abweichler von Vorgesetzten und Kollegen missbilligt und sie mussten mit weiteren Konsequenzen für ihre Karriere rechnen. Der Autor betont, „dass es im Grunde keinen Freiraum für kritische Analysen gab“ (81). Die DDR‑Wissenschaftler haben beim Umdeuten und Anpassen der empirischen Ergebnisse an die Ideologie sogar ihre sowjetischen Kollegen übertroffen, etwa bei der verzerrten Darstellung des globalen Kräfteverhältnisses kapitalistischer und sozialistischer Länder.
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Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Marcus Beyer: Außenpolitische Deutungsverwaltung im SED-Regime. Frankfurt a. M. u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38642-aussenpolitische-deutungsverwaltung-im-sed-regime_46905, veröffentlicht am 16.07.2015. Buch-Nr.: 46905 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA