/ 22.06.2013
Christina Anselmann
Auswege aus Staatsschuldenkrisen. Eine Untersuchung verschiedener Optionen anhand historischer Fallbeispiele
Marburg: Metropolis-Verlag 2012; 248 S.; 22,80 €; ISBN 978-3-89518-907-4Bachelorarbeit Karlsruhe; Begutachtung: H. Krämer, J. Schmidt. – In Zeiten, in denen die Staatsverschuldung krisenbedingt exponentiell wächst und der Abbau der öffentlichen Verbindlichkeiten als nahezu allein seligmachende Krisenbekämpfungsstrategie postuliert wird, lassen Titel und Covergestaltung von Christina Anselmanns Untersuchung aufmerken. Und wer eine Sammlung volkwirtschaftlicher Mainstream‑Patentrezepte in Form weiterer Ausgabenkürzungen erwartet, dürfte überrascht sein von dem nüchternen, unvoreingenommenen und empirisch fundierten Ansatz, mit dem die Autorin, auf Basis historischer Fallstudien, die fünf möglichen Wege einer Reduktion der öffentlichen Schuldenstandsquoten analysiert: „Inflation, Wirtschaftswachstum, Finanzrepression, Haushaltskonsolidierung und Zahlungsausfälle auf Inlands‑ und/oder Auslandsstaatsschulden“ (23). Bedenkt man dann noch, dass es sich bei der Untersuchung um eine überarbeitete Bachelor‑Arbeit im Fach Wirtschaftswissenschaften handelt, wirkt die Dogmatik, die die ökonomischen und politischen Mainstream‑Diskussionen beherrscht, umso grotesker – vor allem dann, wenn die Autorin z. B. davor warnt, „eine diskretionäre Finanzpolitik“ (39) von vorneherein abzulehnen. Aus Anselmanns Sicht erscheint es zudem gerecht, „mehrere Generationen an der Finanzierung staatlicher Investitionen in Form von Zins‑ und eventuell Tilgungszahlungen zu beteiligen“ (43). Aus neoklassischer Sicht stellen die Ausführungen der Autorin zum Konnex zwischen staatlicher Einnahmenerhebung und Schuldenentwicklung geradezu ein Sakrileg dar, etwa wenn sie feststellt, „dass sich die deutsche öffentliche Schuldenstandsquote in den vergangenen Jahren weitaus weniger erhöht hätte, wären entsprechende Steuersenkungsreformen ausgeblieben“ (49). Eine Konsolidierung durch weitere Ausgabenkürzungen sieht sie vor diesem Hintergrund genauso kritisch wie die vielfach vorgetragene Annahme von Crowding‑out‑Effekten – ein Mechanismus, der eine Verdrängung privater Investitionen durch ein Übermaß an öffentlicher Kreditfinanzierung unterstellt. Denn schließlich sei sowohl die private als auch die öffentliche Nettoinvestitionstätigkeit seit Mitte der 1970er‑Jahre – mit Ausnahmen –stetig gesunken. Es ist die ganzheitliche Darstellung, die dieses Buch auch für die politikwissenschaftliche Diskussion so wertvoll macht, sieht man einmal von den offenbar unverzichtbaren Formeldarstellungen und einigen diskussionswürdigen Feststellungen zu den politischen Ermessensspielräumen des Souveräns ab. Anselmann versteht es, die oft nicht hinreichend gewürdigten Wechselwirkungen zwischen öffentlicher und privater Verschuldung sowie zwischen Staats‑ und Privatsektor einer Volkswirtschaft sehr verständlich und unter Einbeziehung verschiedener Theorieansätze darzustellen und zu analysieren.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 2.21 | 2.3 | 2.61 | 2.64 | 2.65 | 2.31 | 2.263 | 2.343
Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Christina Anselmann: Auswege aus Staatsschuldenkrisen. Marburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/35734-auswege-aus-staatsschuldenkrisen_43299, veröffentlicht am 13.02.2013.
Buch-Nr.: 43299
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Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
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