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/ 22.06.2013
Lucio Urtubia

Baustelle Revolution. Erinnerungen eines Anarchisten. Aus dem Spanischen übersetzt und bearbeitet von Alix Arnold und Gabriele Schwab

Berlin/Hamburg: Assoziation A 2010; 256 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-935936-84-2
Der heute 80-jährige spanische Anarchist Lucio Urtubia erzählt von seiner politischen Karriere. Nach seiner Desertion vom spanischen Militär verdingt sich Urtubia, damals noch ein Analphabet, als Maurer im Pariser Exil. Er engagiert sich früh in libertären Bewegungen und lernt linke französische Intellektuelle wie André Breton und Albert Camus kennen. Als er 1957 den antifranquistischen Widerstandskämpfer Francesc Sabaté Llopart beherbergt und vor den Schergen der Franco-Diktatur versteckt, beginnt Urtubia mit der Untergrundorganisation „Action Directe“ zu sympathisieren. In den folgenden Jahren überfällt er zunächst Banken, um weltweit antikapitalistische und antifaschistische Bewegungen finanziell zu unterstützen. Schließlich spezialisiert sich der moderne Robin Hood jedoch auf die Fälschung von Dokumenten. In einer gefälschten Ausgabe der sowjettreuen, französischsprachigen Zeitung L’Humanité wendet sich Urtubia gegen den Staatssozialismus sowjetischer Prägung. 1972 kollaboriert er mit der CIA, um die Entführung des SS-Hauptsturmführers Klaus Barbie, der in Bolivien untergetaucht war, vorzubereiten. Davor schlug er dem damaligen kubanischen Innenminister Ernesto Che Guevara vor, die US-amerikanische Volkswirtschaft mit gefälschten Dollars zu destabilisieren. 1979 beginnt er schließlich mit der massiven Fälschung von Travellerschecks der First National City Bank im Wert von mehreren Millionen Dollar und wird dank der Unterstützung linker Anwälte lediglich zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt. Heute betreibt Urtubia gemeinsam mit seiner Frau den Espace Louise Michel, ein autonomes Kulturzentrum in Paris. Die autobiografischen Berichte, in denen zwischen Gerechtigkeit und Gewaltverzicht abgewogen wird, spiegeln die Ideologie einer libertären, revolutionären Linken, die letztlich für die „Action Directe“ votiert. Urtubias unerschütterlicher Glaube an die Arbeiterschaft als revolutionäres Subjekt zeugt von einer gewissen Naivität. Sein Plädoyer für eine „utopische Pflicht“ (222) hat jedoch im Zuge der gegenwärtigen Krise des Finanzkapitalismus an Aktualität gewonnen.
Marius Hildebrand (HIL)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.12.252.615.43 Empfohlene Zitierweise: Marius Hildebrand, Rezension zu: Lucio Urtubia: Baustelle Revolution. Berlin/Hamburg: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/33134-baustelle-revolution_39591, veröffentlicht am 22.12.2011. Buch-Nr.: 39591 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
CC-BY-NC-SA