/ 05.06.2014
Andreas Folkers / Thomas Lemke (Hrsg.)
Biopolitik. Ein Reader
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2014 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2080); 526 S.; 22,- €; ISBN 978-3-518-29680-6Der Reiz von Foucaults Begriffen der Biopolitik oder der Biomacht liegt in der Varianz ihrer Deutung. Es handelt sich dabei um eine politische Technologie, die sowohl den Körper des einzelnen Menschen als auch die Gesamtheit der Bevölkerung als Körperwesen diszipliniert und reguliert. Sprechen die beiden Herausgeber bei der Verbindung von Leben und Politik von einem „analytischen Brückenschlag“, „der die Materialität von Lebensprozessen mit Formen politischen Handelns verknüpft und die Sicherung und Bewahrung des Lebens mit dessen Einschränkung und Zerstörung zusammendenkt“ (53), enthält er seine Entgrenzung – nämlich die Erzeugung von neuen Lebens‑ und Politikformen – schon in sich. Strukturiert in drei Themenkomplexen – der Genealogie des Begriffes selbst, dem Modus des Politischen in der Biopolitik sowie der Substanzialität des Lebens gewidmet – versammeln die Herausgeber neben Ausschnitten aus drei Texten Foucaults neun seiner Rezipienten. Neben einer ausführlichen Einleitung fehlen dem Band allerdings weiterführende Kontexthinweise zu den gut auch für Lehrveranstaltungen nutzbaren Textauszügen. So bleibt – neben dem Forschungsparadigma, Facetten und Dimensionen zusammenzuführen – die Begriffsentwicklung selbst: Deutet Gilles Deleuze die Verschränkung von Disziplinar‑ und Kontrollmacht auch als freiheitliches Moment und ruft darin zum Widerstand auf, konzentrieren sich Michael Hardt und Antonio Negri auf die produktive Dimension in der biopolitischen Gesellschaft: Sprachen, Intellekte, soziale Verhältnisse und Kommunikationen erzeugen sich selbst und entwerfen darin eine neue imperiale Macht. Paul Rabinow kennzeichnet die Biosozialität als Fortentwicklung der Biopolitik hin zu neuen Identitäten und Restriktionen, wenn – wie in der Erforschung des menschlichen Genoms angelegt – neue Formen des Lebens und der Natur technisch erzeugt werden können. Die Debatte darüber, wie die Wirkungen biowissenschaftlichen Wissens abzuschätzen sind, welche politischen, ethischen und auch ökonomischen Implikationen folgen, wird so instruktiv weitergeführt.
Ellen Thümmler (ET)
Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.42
Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Andreas Folkers / Thomas Lemke (Hrsg.): Biopolitik. Frankfurt a. M.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37150-biopolitik_45292, veröffentlicht am 05.06.2014.
Buch-Nr.: 45292
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Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
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