/ 31.07.2014
Ullrich Bauer / Uwe H. Bittlingmayer / Carsten Keller / Franz Schultheis (Hrsg.)
Bourdieu und die Frankfurter Schule. Kritische Gesellschaftstheorie im Zeitalter des Neoliberalismus
Bielefeld: transcript Verlag 2014 (Sozialtheorie); 366 S.; 19,99 €; ISBN 978-3-8376-1717-7Seit sich die sozialwissenschaftlichen Fächer als eigenständige Disziplinen herausgebildet haben, läuft immer auch schon das Bedürfnis nach einer Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse mit. Gleichwohl besteht keine Einigkeit über den richtigen Weg, auf dem eine solche Kritik verwirklicht werden kann und soll. Die Probleme, die sich aus den fehlenden Kriterien zur Beantwortung dieser Fragen ergeben, lassen sich an der wechselseitigen Wahrnehmung zweier prominenter Ausprägungen kritischer Gesellschaftstheorie ablesen. Das Herausgeberkollektiv fasst die gegenseitige Rezeptionsgeschichte der Frankfurter Schule und des Ansatzes von Pierre Bourdieu als eine Geschichte von Missverständnissen und Abgrenzungskämpfen. Dies wird nicht nur in der Einleitung, sondern auch in den Beiträgen von Ulrich Bauer und Uwe H. Bittlingmayer sowie Stephan Egger deutlich. Entsprechend setzen sich die Herausgeber mit ihrem Sammelband das Ziel, stärker zwischen den jeweiligen Ideen und Positionen zu vermitteln. Dafür bieten sich aus ihrer Sicht die Fragen nach erstens der Vermittlung zwischen (Frankfurter) Subjekt‑ bzw. (Bourdieu’scher) Habitustheorie, zweitens dem Zugriffspunkt der Macht‑ und Herrschaftskritik und drittens der Stellung zu politischen Einwürfen an. Albert Scherr beispielsweise wendet sich dem ersten Punkt zu, dem Vergleich der Konzepte Subjektivität und Habitus. Scherr erkennt, dass beide Konzepte geeignet sind, das Verhältnis von individuellem Gestaltungspotenzial und gesellschaftlicher Determinierung zu markieren. Bourdieus Konzept des Habitus lege eine Vorherbestimmung individuellen Handelns nahe, während die Vertreter der Frankfurter Schule weiterhin am Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Determinierung und individueller Selbstbestimmungsfähigkeit festhielten. Gregor Bongaerts geht auf das Problem der Kriterien für normative Herrschafts‑ und Machtkritik ein. Er differenziert zwischen unterschiedlichen Typen des Umgangs mit dem Problem kritisch‑normativer Theoriebildung, ordnet die Frankfurter Schule einen der Typen zu und fragt, auf welchem Wege Bourdieu zum Etikett einer „kritischen Theorie“ gelangt. Insgesamt handelt es sich um einen informativen, aber auch zerfahrenen Sammelband. Mit weniger Schlaglichtern und stärkeren Bezügen unter den recht isolierten Beiträgen wäre ein strukturierteres Bild entstanden.
{HCM}
Rubrizierung: 5.46 | 5.42
Empfohlene Zitierweise: Hendrik Claas Meyer, Rezension zu: Ullrich Bauer / Uwe H. Bittlingmayer / Carsten Keller / Franz Schultheis (Hrsg.): Bourdieu und die Frankfurter Schule. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37340-bourdieu-und-die-frankfurter-schule_41082, veröffentlicht am 31.07.2014.
Buch-Nr.: 41082
Inhaltsverzeichnis
Rezension drucken
CC-BY-NC-SA