/ 04.06.2013
Daniel Jonah Goldhagen (Bearb.)
Briefe an Goldhagen. Eingeleitet und beantwortet von Daniel Jonah Goldhagen
Berlin: Siedler Verlag 1997; 251 S.; brosch., 29,80 DM; ISBN 3-88680-628-6Goldhagens "Hitlers willige Vollstrecker" fand nicht nur in den Medien und im wissenschaftlichen Diskurs eine überwältigende Resonanz, sondern auch in mehr als siebenhundert privaten Briefen, die der amerikanische Politikwissenschaftler, Associate Professor of Government and Social Studies in Harvard (USA), erhalten hat. Der Siedler Verlag stellte eine Auswahl zusammen und systematisierte sie nach sieben Themen. Es äußern sich Opfer des Naziregimes, die Goldhagen ihren Dank und ihre Verbundenheit bekunden, sowie Menschen, die um Verständnis für ihre Familie kämpfen, und andere, die eine persönliche Schuld ablehnen. Freya von Moltke kritisiert, daß Goldhagen den Widerstand nicht beachtet hat. Zudem unterschätze er das Ausmaß an Mut, das notwendig war, um Befehle zu verweigern. Seine Grundeinstellung sei von Vorurteilen geprägt (109 f.). Goldhagen nimmt in einem Antwortschreiben (215-251) Stellung zu den Briefen. Er weist u. a. darauf hin, daß es unzählige Menschen gab, die nicht aus Angst zu Tätern wurden, sondern die Morde für gerecht und wünschenswert hielten. Die Briefe - wie schon die wissenschaftliche Diskussion - umgehen seiner Meinung nach weitgehend die Frage nach den Tätern bzw. Goldhagens Darstellung derselben, obwohl dies sein Schwerpunkt gewesen sei. Und er wiederholt sowohl seine These, daß die Täter vor allem von Judenhaß getrieben waren, als auch seinen Widerspruch gegen die Meinung, er wolle den Deutschen eine Kollektivschuld zusprechen.
Die Themen, unter denen die Briefe systematisiert wurden, lauten: "Wer vertritt hier die gewöhnlichen Deutschen?". Reaktionen auf die öffentliche Debatte; "Ihre Untersuchung fordert die Deutschen heraus". Über die Darstellung von Geschichte; "Und nun zu Ihrem Problem: den Juden". Antisemitismus und Rassismus; "Eine Stellungnahme, die ich meinen toten Freunden schulde"; Widerstand und Verweigerung; "Was wußte ich denn?". Zeitzeugen erinnern sich; "Ich nehme ihn nicht an, Ihren Urteilsspruch". Die Schuldfrage; "Auf dem Hochzeitsphoto trägt mein Vater voller Stolz seine SS-Uniform". Täter und Opfer; "Es ist mir manchmal unheimlich in diesem Land". Deutschland heute.
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.312 | 2.35
Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Daniel Jonah Goldhagen (Bearb.): Briefe an Goldhagen. Berlin: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/6103-briefe-an-goldhagen_8308, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 8308
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M. A., Politikwissenschaftler.
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